Jan Glasenapp

Emotionen als Ressourcen. Manual für Psychotherapie, Coaching und Beratung

Rezension von Torsten Ferge

4 Min.

Im Star Trek Universum will sie der vulkanische Wissenschaftsoffizier Spock loswerden. Und Jahre später versucht der Androide Data ihnen auf die Spur zu kommen, um menschlicher zu werden. Die Rede ist von Emotionen. Jeder hat sie. Und sie sind mehr als das Gefühl, mal wieder die Winterreifen wechseln zu müssen. Jan Glasenapp lädt mit der Aktualisierung seines Manuals von 2013 „Emotionen als Ressourcen“ zu einer Entdeckungsreise ein. In einer Gesellschaft, die viel übrig hat für Rationalität, gibt er hier einen Leitfaden zur Beschreibung, Funktion und der Arbeit mit Emotionen. Der Autor setzt auf eine starke wissenschaftliche Fundierung, die selbst den Logiker Spock eine Augenbraue hätte heben lassen. 

In seinem Psychologiestudium hat sich Glasenapp mit klientenzentrierter Gesprächsführung und ihrer therapeutischen Wirkung beschäftigt. Dazu kam für ihn die Grundlegung in Transaktionsanalyse, später eine eigene Psychotherapeutische Praxis und vielfache Coaching-Tätigkeit. Glasenapp ist sowohl in der Ausbildung von Psychotherapeuten als auch als Gutachter aktiv. Auffällig sind seine zahlreichen Veröffentlichungen, in denen er seine Praxis immer wieder reflektiert. Dazu kommt seine Präsenz und Vortragstätigkeit auf Fachtagungen sowie seine Dissertation über Deinstitutionalisierung. 

Das gebundene Manual ist mit 253 inhaltlichen Seiten gefüllt, die sich auf vier grundlegende Kapitel zur Einordnung von Emotionen und auf zehn Praxiskapitel verteilen. In den Praxisteil wiederum sind sechs Module eingebettet, die die Emotions-Arbeit mit Kunden und Patienten anleiten. Jedes Kapitel wird zu Beginn anhand der Unterkapitel weiter differenziert. Kurze Zitate bieten Abbiegungen in andere Denkrichtungen an. Schriftsatz, graue Unterlegungen, fetter Schriftschnitt sowie Abbildungen, Schaubilder, Grafiken und Tabellen helfen den Lesenden, die Inhalte gut dosiert zu erfassen. Beispiele und Instruktionen leiten ebenso direkt in die praktische Coaching-Arbeit über wie die zum Download verfügbaren Arbeitsblätter. Immer wieder schlägt der Autor Ziele für die Beratung vor. Jedes Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung. Das 14. Kapitel orchestriert die Nutzung des Buches in unterschiedlichen Settings wie Therapie oder Coaching. Über das Buch verstreut trifft Glasenapp immer wieder Grundannahmen, die er am Ende in einem Kapitel zusammenfasst. Im Anhang sind mehr als zehn Seiten Literatur, Hinweise zum Arbeitsmaterial sowie ein Sachwortverzeichnis zu finden. 

Aus didaktischen Gründen konzentriert sich Glasenapp auf die vier Grund-Emotionen Freude, Trauer, Angst und Wut mit den Erweiterungen Ekel und Überraschung – jeweils als Reaktion auf ein plötzliches, grenzüberschreitendes Ereignis. Emotionen regulieren psychische Grenzen. Sie richten sich auf die Erfüllung von Grundbedürfnissen und sichern Identität. Die Qualität und Quantität sowie die individuelle Ausprägung einzelner Emotionen bilden ein Profil, das Glasenapp einen „emotionalen Stil“ nennt. Und hier setzt sein Verständnis von Emotionen als Ressourcen an. Im Coaching lässt sich der emotionale Stil bearbeiten. Hierbei kann der Klient bzw. die Klientin an seiner bzw. ihrer Akzeptanz von Veränderungen arbeiten oder auch die eigene emotionale Flexibilität erweitern. Der Gewinn liegt dann in einer vergrößerten Kongruenz. Es geht dem Autor um weit mehr, als die Rede von positiven und negativen Emotionen zu differenzieren. 

Das Manual übersetzt Theorie in Coaching-Praxis. Dabei stützt es sich auf den aktuellen Stand der Wissenschaft. Zur praktischen Nutzung ist es für den Beratungsraum gedacht. Es kommt stark strukturiert daher, ist gekonnt didaktisch aufbereitet, gibt Übersicht und führt die Lesenden souverän durch das Thema. Es verzichtet auf moralisierende Thesen wie die Annahme einer kopflastigen Beratung oder archaischer Emotionen. Der therapeutische Hintergrund des Autors ist immer spürbar gegenwärtig. Dieser Rahmen ist selbstverständlich nicht identisch mit dem eines Coachings. So bleibt dem Coach die Übertragungsarbeit in die eigene Praxis überlassen. 

Fazit: Glasenapp versteht Emotionen als Ressourcen. Und er gibt wissenschaftlich fundierte Hinweise und Anleitungen, wie sich dieses Verständnis in die Beratung übertragen lässt. Stark, gelungen, übersichtlich – unbedingt lesenswert. Ich hoffe, der Androide Data hat das Buch in seiner Bibliothek bzw. den Download auf der Festplatte.

Torsten Ferge

Coach und Supervisor
www.ferge-coaching.de 

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