Falko Mayerl, Carsten Jasorka

E-Coaching für Führungskräfte. Grundlagen und Möglichkeiten der Beratung im Internet. Saarbrücken: VDM.

Rezension von Professor Dr. Harald Geißler

4 Min.


Coaching, ursprünglich eine höchst elitäre Maßnahme für das Topmanagement, hat in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren eine breite Palette höchst unterschiedlicher Zielgruppen und Thematiken erfolgreich erschlossen. Da ist es nicht überraschend, sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum E-Learning aufzustellen und unter dem Label E-Coaching die Möglichkeiten der modernen Medien zu nutzen, um so Coaching raum- und zeitunabhängiger zu machen. Was das im Einzelnen bedeutet, also welche konzeptionellen Vorstellungen damit verbunden sind und welche Angebote eines solchen E-Coachings bereits im Netz stehen, ist das Thema des vorliegenden Buches.
Bevor auf die inhaltlichen Gedanken, Analysen und Anregungen der Autoren eingegangen und eine Bewertung formuliert wird, seien zunächst vier Anmerkungen vorangestellt. Die äußere Erscheinung der Darstellung von Text, Abbildungen und Quellen in Verbindung mit dem Argumentationsniveau des Gedankengangs lässt zunächst vermuten, dass es sich bei der Publikation um eine - überarbeitete - Diplom- oder Magisterarbeit handelt, die vermutlich positiv beurteilt worden ist, auch wenn die Autoren an einigen Stellen die Grundregeln wissenschaftlichen Arbeitens nicht immer ganz korrekt einhalten. So beispielsweise auf Seite 43, wo ohne Quellenangabe Walter Jochem wörtlich (!) zitiert und auf Zahlen einer Marktstudie von PricewaterhouseCoopers verwiesen wird.
Weiterhin bezieht sich der Titel des Buchs ausdrücklich auf "Führungskräfte"; tatsächlich jedoch geht es in den theoretisch-konzeptionellen Betrachtungen keineswegs nur um Führungskräfte, sondern um unterschiedlichste Zielgruppen. Gleiches gilt für die Analyse der untersuchten E-Coaching-Angebote. Denn nur ein Teil von ihnen bezieht sich ausschließlich nur auf Führungskräften, wie beispielsweise die Internetseite beratung-therapie.de. Und wenn E-Coaching in der Einleitung als diejenige Sonderform von Coaching vorgestellt wird, bei der die Möglichkeiten der modernen Medien genutzt werden, wird die damit angekündigte thematische Breite in der theoretischen Diskussion und empirischen Untersuchung der Autoren auf Coaching mittels E-Mailing und Videokonferenzen verengt. Und schließlich fällt auf, dass die Berücksichtigung der hinzugezogenen Fachliteratur und die Internetrecherche von E-Coaching-Angeboten 2001 enden.
Der Überschrift entsprechend befasst sich das erste Kapitel mit konzeptionellen Aspekten von Coaching, indem die einschlägige Literatur referiert wird - allerdings ohne dass dabei ein eigenständiger Betrachtungs- und Bewertungsstandpunkt bezogen wird. Der mit der grundlegenden Standardliteratur vertraute Leser kann deshalb das erste Kapitel ohne Informationsverlust überspringen und sich gleich dem zweiten Kapitel zuwenden. Es führt in die Grundlagen der modernen Medien ein und geht im Wesentlichen der Frage nach, ob und wie E-Mailing oder Messageboards für zeitversetztes Coaching und Chats, Internettelefonie und Videokonferenzen für synchrones Coaching genutzt werden können.
Besonders interessant ist dabei die anschließende Beschreibung und Analyse der (bis Ende 2001!) vorliegenden Internetseiten mit entsprechenden Angeboten. Es handelt sich dabei um sieben deutschsprachige und sieben englischsprachige Angebote. Die Autoren orientieren ihre Präsentation und Analyse an vier Aspekten: (1) Angabe der Internetadresse und des Namens des Anbieters, (2) Informationen zum Anbieter und den angebotenen Inhalten, (3) Benennung bzw. Rekonstruktion der angesprochenen Zielgruppe und (4) Hinweise zu Besonderheiten sowie Preisbeispiele und eine Leistungsübersicht. Insgesamt wird erkennbar, dass das Label E-Coaching teilweise als Türöffner benutzt bzw. missbraucht wird, um E-Learning-Content zu verkaufen. Angesichts der Tatsache, dass die Internetrecherche 2001 beendet wurde, überrascht es nicht, dass viele der aufgeführten Internetseiten sich in der Zwischenzeit deutlich verändert haben und zum Teil gar kein E-Coaching mehr beinhalten.
Auf dieser - veralteten - Grundlage bemühen sich die Autoren im dritten Kapitel darum, die Bedeutung von NLP für E-Coaching aufzuzeigen. Im vierten Kapitel schließlich empfehlen sie sich als Marketingexperten und geben einige Tipps für die Vermarktung dessen, was 2001 als E-Coaching bezeichnet wurde.
Zusammenfassend muss gesagt werden: Wäre das 2001 abgeschlossene Manuskript nicht erst 2007, sondern bereits 2002 publiziert worden, hätte es wertvolle weiterführende Impulse geben können. Heute jedoch kann es nur als ein historisches Dokument einer Entwicklung gesehen werden, die außerordentlich facettenreiche wertvolle Potenziale beinhaltet, deren Erschließung nicht durch den Blick auf die Defizite der ersten Anfänge belastet werden sollte. Mit anderen Worten: Es ist davor zu warnen, die Ausführungen der Autoren als State of the Art wahrzunehmen und als Grundlage für die Beantwortung der Frage zu nehmen, was E-Coaching ist, was es leisten kann und welche Zukunft es hat.

Professor Dr. Harald Geißler

Helmut-Schmidt-Universität Hamburg
www.online-coaching-lernen.de

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