Claas Triebel, Jutta Heller, Bernhard Hauser, Axel Koch

Digitale Medien im Coaching. Grundlagen und Praxiswissen zu Coaching-Plattformen und digitalen Coaching-Formaten.

Rezension von Thomas Webers

2 Min.

Deutsche Coaches halten nicht viel von Online-Coaching, das hat Jörg Middendorfs Coaching-Umfrage Deutschland 2016 sehr klar herausgearbeitet. Oft hört man unter Kollegen: Online-Coaching sei kein „richtiges“ Coaching. Vermutlich eine Schutzbehauptung, denn – Hand aufs Herz – wer hat es denn schon einmal probiert?

Es war daher ein Fortschritt für die Branche, dass sich der Erdinger Coaching-Kongress 2016 dem Thema widmete. Hier liegt nun der um zusätzliches Material angereicherte Kongressband vor. Eine beachtenswerte Bestandsaufnahme zum Thema, wofür den Herausgebern Dank gebührt. Diese, allesamt Professoren an der Erdinger Hochschule für angewandtes Management, gliedern das Buch in vier große Blöcke. Zunächst geht es im ersten Teil um Grundsätzliches. Leider vermisst man hier eine Darstellung des medienpsychologischen Fortschritts der letzten 30 Jahre.

Die nötige konzeptionelle Flughöhe wird erst etwa hundert Seiten später gegen Ende des großen zweiten Blocks „Beispiele für Coaching-Online-Plattformen“ erreicht: Mit dem hervorragenden Beitrag von Elke Berninger-Schäfer und Kollegen über die Eigenentwicklung „CAI® World“. Dazwischen und danach findet sich eine heterogene Sammlung von Beiträgen: Ein Panoptikum, so schillernd wie viele Veröffentlichungen zum Thema Coaching insgesamt: Grenzen sind unscharf – alles ist Coaching, auch wenn es vielmehr Training oder E-Learning ist. Auch der Reflexionsgrad ist recht unterschiedlich: Vom naiv Euphorischen bis zum kritisch Differenzierten.

Der dritte Textblock vereint einige Separata, der vierte widmet sich den „Auswirkungen digitaler Medien auf den Coaching-Prozess“. Wenn Jürgen Bache seine nachvollziehbaren Fragen aus Praktikersicht zum Schluss des Buchs aufwirft, wundert man sich. Hätte das nicht hervorragend an den Anfang gepasst? So hätte man doch gleich medienpsychologisch einhaken und parieren können.

Fröhliches Experimentieren dominiert die Praxis. Es wird in weiten Strecken alles, was sich digitalisieren lässt, „unter Strom gesetzt“. Wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse werden eher selten rezipiert. Das Buch ist eine wichtige Etappe. Aber kein Grund zum Ausruhen – im Gegenteil. Will man das Feld den quirligen, konzeptionell aber oft unbedarften Akteuren überlassen? Oder wäre es für die Etablierten nicht an der Zeit, die Hausaufgaben zu machen und das Feld aktiv selbst zu gestalten?

Fazit: Eine beachtenswerte Bestandsaufnahme zum Thema. Aber nur eine Etappe. Die medienpsychologische Fundierung steht noch aus.


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