Werner A. Leeb, Bernhard Trenkle, Martin F. Weckenmann

Der Realitätenkellner. Hypnosystemische Konzepte in Beratung, Coaching und Supervision.

Rezension von Prof. Dr. Haiko Wandhoff

3 Min.

Die neu aufgelegte, erstmals 2011 erschienene Aufsatzsammlung "Der Realitätenkellner" ist als eine Würdigung Gunther Schmidts zu dessen 65. Geburtstag entstanden, will aber, so die Herausgeber, keine bloße Festschrift sein, „sondern dezidiert ein Buch mit praktischem Nutzen für die Leser, jedoch mit Widmung an Gunther.“ (S. 10)

Im Mittelpunkt steht dessen 1980 entwickeltes Konzept der „hypnosystemischen“ Beratung. Schmidt hatte damals den systemischen Therapie-Ansatz mit Interventionen aus Milton Ericksons Hypnose-Therapie angereichert, die gleichsam unterschwellig wirken und kein Trance-Setting benötigen. Durch sie lasse sich auch in einem 'normalen' Beratungs-, Therapie- oder Coaching-Gespräch der Fokus der Aufmerksamkeit so lenken, dass es Klienten wieder leichter falle, in ihre Autonomie und Handlungsfähigkeit zurückzufinden. Entscheidend sei dabei, ihre Aufmerksamkeit offen oder verdeckt auf Ressourcen, Lösungen und Kraftquellen zu lenken, und zwar gerade auch in den Bereichen, die sie als problematisch und leiderzeugend erfahren.

Um diesen Ansatz kreisen die 23 Beiträge des Bandes, der ansprechend gegliedert ist und spielend den angekündigten Spagat zwischen Würdigung und praktischem Nutzen schafft: Nach dem Vorwort der Herausgeber und einem instruktiven Geleitwort von Helm Stierlin kommt zunächst Gunther Schmidt selbst zu Wort, um seinen hypnosystemischen Ansatz knapp zu umreißen. Ihm folgen drei Beiträge, die den Grundlagenteil aus Sicht der Hirnforschung, der lösungsorientierten Beratung und der Hypnose-Forschung ergänzen. Dann übernehmen die Praktiker das Wort, um die Anwendung des hypnosystemischen Ansatzes in verschiedenen Feldern von Therapie und Beratung, Supervision und Coaching vorzuführen.

So entstehen die vier Hauptkapitel des Bandes: „I. Die Grundlagen des hypnosystemischen Ansatzes“, „II. Hypnosystemische Beratung in unterschiedlichen Kontexten“ (als da wären: Psychotherapie, Medizin, Supervision, Konfliktarbeit sowie Beruf und Familie), „III. Hypnosystemisches Coaching und Spitzenleistung“ sowie „IV. Hypnosystemische Methoden und ihr vielfältiger Einsatz“. Der Beitrag „Priming – prägende Einflüsse, innere Bilder und Schlüsselerzählungen“, in dem Bernd Schmid sein persönliches Verhältnis zu Gunther Schmidt thematisiert, bildet als Kapitel V den „Schlussakkord“. Ein Fazit oder Resümee, das die verschiedenen Perspektiven zusammenführt, gibt es dagegen nicht (hier neigt sich der Spagat zur Festschrift). Das Buch schließt mit einem ausführlichen Literaturverzeichnis.

Ein wichtiger Beitrag des Bandes für die Coaching-Diskussion scheint mir zu sein, dass Schmidt eine „Beratung ohne Ratschlag“ kritisch sieht. Er versteht die hypnosystemischen Coaches eher als „Realitätenkellner“, denen es ausdrücklich erlaubt ist, ihren Klienten – transparent und in Ich-Botschaften – eigene Ideen und Hypothesen vorzustellen, „quasi vielfältige Menüvorschläge aus diversen Realitäten“ (S. 31), aus denen der Gast bzw. Klient am Ende auswählt. Darüber, inwieweit eine solche „Kellner-Haltung“ tatsächlich auch im Coaching nötig und angebracht ist oder ob das Konzept nicht doch eher von der Therapie her gedacht ist, wird unter Coaches wohl weiter zu diskutieren sein.   

Fazit: Eine erhellende Textsammlung, die in vielperspektivischer Gestalt die Grundlagen ebenso wie den praktischen Nutzen des hypnosystemischen Ansatzes in Therapie, Beratung und Coaching aufzeigt.

Nach oben