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Andreas Taffertshofer

Das Coaching der Organisation: Wozu Organisationen Coaching nutzen. Saarbrücken: VDM.

Rezension von Dr. Konrad Elsässer

3 Min.

Eine nahe liegende Irritation, die im Titel des Buches liegt, ist zu überwinden: "Coaching der Organisation" ist nicht transitiv zu lesen, wie es das populäre Verständnis von Organisationsentwicklung vermuten lässt. Nicht die Organisation soll gecoacht werden. Der Titel ist als Genitiv zu verstehen: Es geht um Coaching, das wie die Produktion oder der Vertrieb der Organisation zugehört, also die arbeitsteilige Funktion bzw. Ausbildung einer Funktion seitens der Organisation. Somit finden wir schon im Titel ein systemisches Verständnis.
In der Explikation dieser Funktion einer bestimmten und in den letzten Jahren neu gewachsenen Funktion von Organisation argumentiert Taffertshofer sehr versiert und gründlich und erschließt auf verständliche Weise einen wirkmächtigen Hintergrund. Er hat Luhmann gründlich gelesen und weiß ihn für seine Beschreibungen gut zu nutzen.
18 Experteninterviews sind eine spärlich Basis, zumal sie schon an anderer Stelle ausgewertet worden sind. Die DGSv war Auftraggeberin dieser ersten Untersuchung. Die Basis erscheint also außerordentlich schmal. Taffertshofer macht jedoch den von ihm selbst konstatierten "Mangel, über keine Empirie von Coachinginteraktionen zu verfügen" (141) wett durch eine gründliche theoretische Reflexion.
Der Autor arbeitet gut heraus, welche organisationalen Ereignisse Coaching ratsam erscheinen lassen: Konflikte, Stellenwechsel und Change-Prozesse. Die Organisation kann dabei Führung durch Coaching komplettieren - innerhalb der Hierarchie, indem Coaching Führungsbeiträge außerhalb der Formalisierbarkeit verbessert, und bezogen auch auf Autorität, indem Coaching die Verluste von Legitimität und Erfahrung ausgleicht (S. 111-113).
Der Abschnitt "Beratungsmode Coaching" im zweiten Teil des Buches, "Analyse", erscheint dem Rezensenten problematisch. Unstrittig mag bleiben, dass Coaching auch (!) Beratungsmode ist, dass es Beratungsmoden unterworfen ist. Aber eben nicht nur dies, wie der Autor hier suggeriert. Denn schon in seiner Beschreibung von symmetrischer und asymmetrischer Kommunikation (S. 126), vom Beraterparadoxon im Widerspruch von Unverantwortlichkeit und Besserwissen (127 f.), erst recht in der funktionalen Beschreibung von Beratern als "Selektionskatalysatoren" (S. 123) benennt er wichtige gesellschaftliche bzw. Umweltveränderungen, die Organisationen auf ihre Weise Coaching für sich erfinden und nutzen lassen. Insbesondere bietet Coaching Problemlösungen für Autoritätsverlust bzw. bei einer "zeitlichen und sachlichen Flexibilisierung der Autoritätsunterstellung" (S. 134).
Taffertshofer hat sein Buch 2007 veröffentlicht, seine Untersuchungen jedoch schon im Wesentlichen 2005 abgeschlossen. Aus heutiger Sicht erscheint seine Skepsis in Bezug auf Coaching "als Lösung des Problems situativen Führens (…) aufgrund geringen Vorkommens" (147) nicht haltbar. Dagegen bestätigt sich, dass Personalisierung, Strukturschutz und Mode Coaching einen strukturellen Vorteil verschaffen gegenüber anderen formalen Maßnahmen, die nicht formalisierbares Verhalten zu beeinflussen versuchen.

Dr. Konrad Elsässer

Senior Berater, Schwertl & Partner, Frankfurt am Main
ke@schwertl-partner.de