Alica Ryba, Gerhard Roth

Coaching und Beratung in der Praxis. Ein neurowissenschaftlich fundiertes Integrationsmodell.

Rezension von Prof. Dr. Corinna von Au

3 Min.

„Viele Coaching-Angebote (erscheinen) weder konzeptbasiert noch empirisch überprüft.“ (S. 9) Um diese Lücke zu schließen, entwickeln Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth, ausgebildeter Philosoph und Professor für Verhaltensphysiologie und Entwicklungsneurobiologie, und Dr. Alica Ryba, Inhaberin eines Coaching-Unternehmens und wissenschaftliches Mitglied im Roth Institut, in ihrem Buch „Coaching und Beratung in der Praxis" ein integratives, neurobiologisches Transformationsmodell.

Dafür lassen die beiden Autoren in einem ersten (Theorie-) Teil – nach einem einführenden Grundlagenbeitrag, der eine Zusammenfassung der wesentlichen Konzepte aus ihrem 2016 erschienenen Buch „Coaching, Beratung und Gehirn“ ist – zunächst ausgewählte Coaching-Experten – wie etwa Klaus Eidenschink oder die Entwicklerinnen des Zürcher Ressourcen Modells Maja Storch und Julia Weber – zu Wort kommen. Der zweite (Praxis-) Teil startet mit zwei grundlegenden Beiträgen zur Diagnostik von (auch unbewussten) motivationalen Kernthemen und (auch unveränderbaren) Persönlichkeitsaspekten sowie zum Wirkfaktor Beziehung zwischen Coach und Klient.

Das Kernstück des Buches ist dann die Darstellung und neurowissenschaftliche Kommentierung von unterschiedlichen Coaching-Schulen wie etwa psychoanalytische, hypnotherapeutische, verhaltenstherapeutische, körperzentrierte und systemische Ansätze. Das integrative neurobiologische Modell im dritten und kürzesten Teil des Buches mit nur rund 30 Seiten basiert auf der von den Autoren bereits bekannten psycho-neurowissenschaftlichen Theorie von Persönlichkeit und Psyche, welche auf dem Vier-Ebenen-Modell und dem Modell der sechs psychoneuralen Grundsysteme aufbaut. Ryba und Roth legen dar, dass die Grundzüge der Persönlichkeit eines Menschen relativ früh gebildet werden. Dies führt zu drei wesentlichen, individuell unterschiedlichen funktionalen oder auch dysfunktionalen Ausdrucksformen des Psychischen auf den Ebenen Erleben, Körper und Verhalten. Um somit eine Wirkung im Coaching erzielen zu können, spielen das Vertrauensverhältnis zwischen Klient und Coach und die jeweils individuenzentrierte Interventionsform eine tragende Rolle. Zu den drei grundlegenden Interventionsformen nennen sie Beispiele und stellen mögliche Vorgehensweisen im Coaching dar.

Bei dem angepriesenen „Praxisbuch“ mit „zahlreiche(n) Tools, Übungen und Fallbeispiele(n)“ verspricht sich der eine oder andere Leser womöglich ein konkretes Nachschlagewerk für seine Coaching-Arbeit. Das Buch ist aber kein Ratgeber – und soll es auch gar nicht sein. Vielmehr liefert es tiefe Einblicke in neurobiologische Grundlagenkenntnisse und macht deutlich, dass beim Coaching zwischen „eher oberflächlichen Problemen und hartnäckigen Erlebens- und Verhaltensmustern“ (S. 503) unterschieden werden muss, wobei bei Letzteren nur die Berücksichtigung aller drei Interventionsebenen im Coaching erfolgversprechend sein kann. Die Erkenntnis, dass wirkungsvolle Coaches über neurowissenschaftliches und psychotherapeutisches Wissen und einen Toolkasten der drei Interventionsebenen verfügen sollten, manifestiert dabei zu Recht die hohen Anforderungen, die an die Aus- und Weiterbildung von Coaches gestellt werden müssen. Daher sollte das Buch zu einer Pflichtlektüre für jeden Coach werden!

Fazit: Das Buch beleuchtet bedeutende Coaching-Ansätze aus einer neurowissenschaftlichen Perspektive und sensibilisiert Coaches zur Reflexion und Weiterentwicklung der eigenen Interventionen.

Prof. Dr. Corinna von Au

Institutsleitung InLeaVe® – Institut für Leadership & Veränderung
Zertifizierter systemischer Berater, Business und Executive Coach sowie Mediatorin
corinna.vonau@inleave.de
www.inleave.de
Nach oben