Anna M. Herbolzheimer

Coaching Expatriates. The Practice and Potential of Expatriate Coaching for European Executives in China. Dissertation an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Kassel. kassel university press.

Rezension von Dr. Christine Kaul

3 Min.

Zunächst einmal ist das Buch eine Enttäuschung. Der chinesische Schriftzug auf dem Cover und der Buchtitel führen in die Irre: China ist in dieser Veröffentlichung ausschließlich insofern relevant, als es dazu dient, aus dem Gesamt der Expatriate-Population eine Stichprobe zu ziehen, die um die Variable "Entsendungsgegend" vereinheitlicht ist. (Und auch dies geschieht nur halbherzig, da auch Expatriates mit Erfahrungen beispielsweise aus Hongkong und Indonesien zu Wort kommen).
Die Autorin berichtet aus ihrer Forschung zur Praxis, zum Nutzen und der wünschenswerten Ausgestaltung von Coaching für Mitarbeiter, die in die Welt entsendet werden sollen, entsendet sind oder aus ihrer Entsendung zurückkommen in ihre heimatliche Unternehmenszentrale. Die Untersuchung wird auf der Basis der "Grounded Theory" vorwiegend auf Interviews beruhend durchgeführt - mithin ist keine Repräsentativität der Ergebnisse zu erwarten. Trotzdem ist die Lektüre durchaus bereichernd, da sich die Autorin der Mühe unterzieht, die Beratungsform Coaching und die Personalentwicklungsmaßnahme Auslandsentsendung ausführlich und detailliert mit ihren theoretischen Vor- und Nachteilen, aber auch deren Nutzen und Fehlentwicklungen in der aktuellen Unternehmenspraxis darzustellen. (Dabei ist festzustellen, dass sich die Funktion von Expatriate-Coaching in diesen Hinsichten nicht grundsätzlich von dem unterscheidet, was üblicherweise zu Coaching gesagt und geschrieben wurde und wird).
Drei Interessengruppen werden in der Untersuchung näher betrachtet: Personalverantwortliche, Expatriates mit Asienerfahrung und Coachs. Wenn Unternehmen ihre Expatriates als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewerten, die für das Unternehmen in Person wichtig sind, und deren Jobs als bedeutsam für den Unternehmenserfolg im Ausland erkennen, dann kann Coaching zu einer hilfreichen und erfolgskritischen Unterstützung werden. Insofern befasst sich die Autorin mit einem Aspekt der Globalisierung, der von unmittelbar gegenwärtiger Relevanz für (die europäischen) Firmen ist.
Die Darstellung des forscherischen Vorgehens nimmt in dieser Dissertation naturgemäß einen großen Raum ein - etwas mehr als die Hälfte der Ausführungen. Aufgewogen wird diese notwendig theorielastige Darstellung durch erfreulich facettenreiche, detaillierte und fundierte Berichte aus den Arbeitskontexten der entsendenden Unternehmen, der Expatriates und Coachs. Originalzitate machen die Lektüre anregend.
HR-Verantwortliche, die sich - unabhängig von Zielregionen - allgemein mit Auslandsentsendungen und dem gesamten Umfang von Expatriate-Betreuung beschäftigen wollen, finden hier eine gut dokumentierte Einführung zum Thema, ebenso Coachs, die sich in dieser Richtung spezialisieren wollen. Dass das Buch in Englisch geschrieben ist, signalisiert Internationalität, wird aber vermutlich die Rezeption in den Personalabteilungen deutscher Global Player eher behindern als fördern.
Eine Veröffentlichung, die explizit die Entsendungspraxis nach China und die Expatriates in und für China fokussiert, die den Nutzen von und die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Unterstützung durch Coaching für diese Destination untersucht, sowie dieses Wissen Unternehmen, Personalentwicklern und Coachs verfügbar macht, bleibt allerdings weiterhin ein Desiderat.

Dr. Christine Kaul

willkommen@kaul-coaching.de
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