Nach oben
Uwe Fahr

Coaching an der Hochschule. Grundlagen und Impulse für Coaches und Hochschulangehörige.

Rezension von Dr. rer. pol. Mirjam Thanner

3 Min.

Gehören Sie auch zu denjenigen, die beim Thema Coaching im Hochschulkontext resigniert abwinken? Zu unnahbar der Elfenbeinturm, zu prekär die Situation der Doktoranden. Und „Professor Untat“ (vgl. Kamenz & Wehrle, 2007)? Sowieso omnipotent und über jeden Coaching-Bedarf erhaben!
Mit diesen und anderen Vorurteilen räumt Uwe Fahr in seinem nur 42-seitigen Buch, das in der essentials-Reihe des Springer-Verlages erschienen ist, gründlich auf und zeigt einen Weg, wie Coaching im Hochschulkontext gelingen kann. Frei von jeglicher Polemik und dabei durchaus kritisch macht der Autor auf Besonderheiten des Systems Hochschule aufmerksam. Freilich, bei manchen Erkenntnissen – mögen diese auch noch so nüchtern formuliert sein – reibt sich der unbedarfte Leser wohl verwundert die Augen („Die Lehre ist faktisch von geringer Bedeutung in weiten Bereichen der Universität.", S. 16).

Bei aller Kritik am System Hochschule lässt der Autor jedoch stets Sympathie für die Menschen, die an Hochschulen lehren, lernen und forschen, durchscheinen. Er hat sich bewusst – in Abgrenzung zum politisch Korrekten – dazu entschieden, sprachlich ausschließlich die männliche Form zu verwenden. „Dies soll daran erinnern, dass Hochschulen bis heute von Männern dominiert werden und spiegelt insofern schlicht die soziale Realität wider.“ (S. 2)
Auch die oft verdeckte Diskriminierung von Personen aus nicht-akademischen Milieus an Hochschulen benennt er offen: „Dies hat nichts mit der Intelligenz der Betroffenen zu tun; sie können vielmehr hervorragende Wissenschaftler oder Lehrende sein. Die Mechanismen dieser sozialen Ausgrenzung werden im Coaching oft sehr deutlich.“ (S. 28) Der Autor betont, dass sich Coaching an der Hochschule auf den Selbstklärungsprozess des Klienten konzentrieren muss, da es im Rahmen der Coach-Klienten-Beziehung keine Möglichkeit gibt, die harten, von Konkurrenz und Abwertung geprägten Strukturen des Umfeldes zu verändern.

Für das Coaching-Verständnis des Buches spielt die Inkongruenzdiagnostik eine wichtige Rolle. Nach Fahr ist die Hochschulkarriere gepflastert mit zahlreichen Innen-Innen- und Innen-Außen-Konflikten sowie Stressinkongruenzen. Anschauliche Fallvignetten legen davon Zeugnis ab. Der Autor unterscheidet dabei die Qualifikationsphase von der Professur, welche sich jeweils im Coaching-Bedarf unterscheiden: Stehen von der Promotion bis zur Habilitation der Umgang mit Abhängigkeiten, Diskriminierung und Kränkungen im Mittelpunkt, spielen danach zunehmend Mitarbeiterführung, Machtkonflikte und Burn-out-Prävention eine Rolle.
Bereits die Inanspruchnahme von Beratung sei aber oft mit Hindernissen verbunden – und dies nicht nur wegen knapper Budgets für entsprechende Coaching-Angebote. Großen Forschungsbedarf sieht der promovierte Hochschuldidaktiker und Coach Fahr daher in der Suche nach Faktoren, welche die Inanspruchnahme von Coaching im Hochschulkontext fördern können.

Fazit: Fundiert, strukturiert, akademischer Duktus. Der ideale Einstieg für Coaches und Hochschulangehörige.

Dr. rer. pol. Mirjam Thanner

Kantonsspital St. Gallen (CH)
Karriereberatung für Assistenzärztinnen und Assistenzärzte im Netzwerk Ostschweiz
mirjam.thanner@kssg.ch