Gerhard Lenz, Heiner Ellebracht, Gisela Osterhold

Coaching als Führungsprinzip. Persönlichkeit und Performance entwickeln. Wiesbaden: Gabler.

Rezension von Thomas Webers

5 Min.

Führungskräfte sind auch nur Menschen. Leider sind sie oft "einsam", stehen einer größeren Gruppe von Mitarbeitern gegenüber und müssen sich dabei nicht nur behaupten. Sie müssen auch anordnen, kontrollieren, unbequeme Entscheidungen treffen und umsetzen. Da könnte man schon einmal Mitleid bekommen mit ihnen: Wenn es doch nur möglich wäre, Chef zu sein - und trotzdem "geliebt" zu werden! Das Konzept "Die Führungskraft als Coach" verspricht da seit Jahren schon Abhilfe nach dem Motto: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Die Führungskraft als Mitarbeiter-Versteher, die an das Gute im Menschen glaubt und ihn zu dem führt, was er selbst auch - wenn er tief in sich hinein horcht - will oder wenigstens doch als notwendig einsieht.
Dieser Ansatz ist nicht neu. Schon in den 60er Jahren hat der humanistische Psychologe Douglas McGregor mit seiner X-Y-Theorie den selbstverantwortlichen Menschen als Wirtschaftssubjekt propagiert. Die Sache hat nur einen Haken - für die Führungskraft. Das eine (Fördern) tun und das andere (Anordnen) nicht lassen, führt (nicht nur gelegentlich) zu (nicht nur unerheblichen) Rollenkonflikten. Deswegen wird in der Fachliteratur die Rede von der Führungskraft als Coach mit Vorbehalten diskutiert (so
Angelika Leder) oder sogar skeptisch als "Perpetuum Mobile" abgelehnt.
Gebraucht man das Konzept allerdings als Metapher (Coaching als Führungsprinzip), will man damit in der Regel zum Ausdruck bringen, dass unsere Unternehmen eine neue Führungskultur brauchen. Das ist okay und in vielen Unternehmen ja auch schon umgesetzt worden. Erfolgreich vor allem dann, wenn man die o.g. Rollenkonflikte klar umschifft. Dass dies den Autoren dieses Buchs ebenfalls gelingt, kann leider nicht durchgängig konstatiert werden. Zu blumig, relativierend und zu vielversprechend ist in weiten Teilen ihre Rede von den Potenzialen, die es zu entwickeln gelte, und von den neuen Führungswelten. Bedauerlich deshalb, weil sie mit ihrem systemischen Ansatz den Lesern eine zeitgemäße Optik auf das Geschehen in den Unternehmen ermöglichen und damit erweiterte Spielräume eröffnen, was ja ohne Frage löblich ist.
Nach einem knappen Kapitel zum Thema "Führung prägt Unternehmen und Menschen" geht es in einem zweiten Kapitel darum, wie Coaching Persönlichkeit, Performance und Kreativität entwickeln hilft. Die Ausführungen zu Coaching sind knapp und gehen über Basics nicht hinaus. An etlichen Stellen wird der im Thema erfahrene Leser die Stirne runzeln, Fragezeichen malen, Quellen vermissen etc. Zum Thema Persönlichkeit - das Thema taucht immerhin im Untertitel des Buchs auf - werden noch nicht einmal Basics geliefert. Breiter hingegen wird das Thema Systemisches Management ausgeführt. Verglichen mit dem
Vorgängerbuch der Autoren "Vom Chef zum Coach" von 1998
werden jedoch keine gravierenden Erkenntnisfortschritte deutlich. Das ist schade, weil es in den letzten zehn Jahren von anderer Seite (z.B. Peter Kruse, Bernd Schmid etc.) durchaus interessante Veröffentlichungen zum Thema gegeben hat.
Das dritte Kapitel handelt von den Methoden des systemischen Coachings. An dieser Überschrift mag schon deutlich werden, der Begriff Coaching wird im Buch permanent überstrapaziert. Führung hätte hier als Stichwort viel besser gepasst; und wäre auch bescheidener gewesen. Das Kapitel bildet allerdings das Herzstück des Buchs. Es ist praxisnah und leicht verständlich formuliert. Hier erhält der Leser mit den sieben Methoden ordentliches Handwerkszeug an die Hand. Im Vergleich zum Vorläuferbuch hat man hier auch den Eindruck, es sei alles noch einmal vertieft worden. - Ob man den Einsatz der systemischen Methoden allerdings hochtrabend Coaching nennen muss, ließe sich sicher diskutieren.
Stress, Krisen und Konflikte - Coaching unter erschwerten Bedingungen: Das vierte Kapitel liefert eine Reihe von Basisinformationen und Checklisten, die Menschen, die sich noch nicht vertieft mit diesen Themen beschäftigt haben, einige grundsätzliche Anregungen zur Orientierung bieten können. Den Bedarf fortgeschrittener Führungskräfte an Konzepten und Umsetzungshilfen wird jedoch kaum gestillt. Knapp ist auch das fünfte Kapitel zur Einführung einer Feedback-Kultur gehalten. Hier werden etliche Hilfen zum Geben und Nehmen von Feedback gegeben, die gefährlichen Klippen des Missbrauchs (vom Rückmelden zum Bewerten zum Beurteilen zum Verurteilen) leider noch nicht einmal im Ansatz angemessen aufgearbeitet. In vielen Unternehmen ist doch inzwischen die Leistungsbeurteilung oder sogar ein 360-Grad-Feedback eingeführt worden, eventuell wird sogar ein variabler Entgeltanteil hiermit verknüpft. Kein Wort hierzu oder weiteren Risiken und Nebenwirkungen, den Zielkonflikten und den beiderseitigen Weisen, den Umgang mit Feedbackprozessen zu erleichtern, zu boykottieren - oder schlicht zu überleben. Dabei hätten sich die Systemiker doch einmal nach Herzenslust austoben können; haben sie aber nicht. Konventionell und knapp fallen ebenfalls die Kapitel sechs (Kreativität und Innovation) sowie sieben (Leadership) aus. Es sind nicht mehr als Grundinformationen.
Erfahrene Coachs müssen dieses Buch nicht lesen. Aber auch einigermaßen gestandene und ausgebildete Führungskräfte werden wenig Neues aus diesem Buch ziehen. Es sei denn, sie stammen aus den Sektoren, in denen die Führungskultur noch eher altbacken, autoritär und bürokratisch ist. Oder sie sind auf dem Karrieresprung aus der Linie in die Führung. Dann bekommen sie sozusagen einen ersten Rundumschlag - der dann allerdings noch zu vertiefen wäre.







Thomas Webers

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