Nach oben
Rolf Meier, Axel Janßen

Coachausbildung – ein strategisches Curriculum. (2. Aufl.). Sternenfels: Verlag Wissenschaft & Praxis.

Rezension von Dr. Michael Loebbert

3 Min.

Ein gewichtiges Buch, das über 2 Kilogramm auf die Waage bringt. Auf über 600 Seiten stellen Dr. Rolf Meier und Axel Janßen das Konzept der Coach-Ausbildung der von ihnen gegründeten Hamburger Schule dar. Im Mittelpunkt steht dabei die "Selbstlernkompetenz" als Grundbegriff der Erwachsenenbildung.
Im Vorwort geben die Autoren ihrer Befürchtung Ausdruck, dass in den "meisten" Coach-Ausbildungen diesem Grundsatz zu wenig Rechnung getragen wird. Eine vielleicht erlaubte Polemik, die jedoch leider ohne Nachweise und konkrete Bezugnahme bleibt. Sie richtet sich gegen die selbstvergessene Lehre und Anwendung von Tools im Coaching. "A fool with a tool is still a fool." Wer den wissenschaftlichen Kontext und spezifischen Interventionsrahmen von Werkzeugen im Coaching nicht kennt, erreicht keine Autonomie und Souveränität im Umgang. Schlimmer noch als der daraus entstehende Schaden widerspricht das der Haltung und Philosophie von Coaching als Format der Prozessberatung.
Mit dem Konzept des "Curriculums" wird ein zweiter Grundbegriff der Erwachsenenbildung eingeführt, der für den Aufbau des Buchs leitend sein soll. Auch hier glauben die Autoren ihre Originalität herausstellen zu müssen, wenn sie in Bezug auf ihr Curriculum-Modell von einem "curricularen System" sprechen. Für die Würdigung ihres eigenen Ausbildungs- und Coaching-Ansatzes des "selbstorganisierten Coachings" unterscheiden sie "autonome" von "autoritären" Ausbildungs- und Beratungsansätzen. Auch dies bleibt ohne Referenz- und Bezugnahme auf andere Autorinnen und Autoren als Polemik stehen. Der wohlmeinende Rezensent versteht dies als ein in der Ausbildung gebrauchtes didaktisches Modell, das zunächst versucht, Orientierung und Überblick zu geben, und den eigenen Anspruch auf Ressourcenorientierung und Wertschätzung der von Menschen erarbeiteten Beratungsansätze etwas hinten an stellt.
Der stärkste Teil des Buches sind die etwa 100 Seiten, auf denen die Autoren ein Modell der Kompetenzentwicklung entlang der Schritte der Prozessberatung (Lippitt, 1978) ausfalten. Hier werden auf allgemeinverständlicher Basis die leitenden Überlegungen für die Curriculumentwicklung ihrer Coaching-Ausbildung dargestellt. Das ist eine gute Unterstützung für die Teilnehmenden ihrer Coaching-Ausbildung, die sich selbst in ihrem Curriculum orientieren wollen. Mit "Selbstlernkompetenz" wird hier ernst gemacht. Und es dokumentiert die erwachsenenbildnerische Kompetenz der Autoren in ihren Ableitungen. Was allerdings an dieser Stelle nicht dargestellt wird, ist die Umsetzung in Designelement prozessorientierter Ausbildung wie "gruppendynamisches Labor", "Lehrsupervision" und "Intervision". Damit fehlt den Leserinnen und Lesern auch die Konkretion in der Ausbildungspraxis.
Die Autoren betonen die wissenschaftlichen Bezüge von Coaching-Werkzeugen und -Modellen. Sie behaupten, mindestens 37 "Coaching relevante Wissensgebiete", deren aufzählende Darstellung mit über 350 Seiten den größten Teil des Werkes ausmacht. Von der "Andragogik" über die "Philosophie" bis zur "Wissenschaftstheorie" gibt es kleine Übersichtsartikel. Für angehende Coachs, die vielleicht vor dem Aufwand eigener Recherchen in traditionellen Medien oder Internet eine gewisse Scheu haben, sicher eine Unterstützung.
Mit ihrem Anspruch "einen Maßstab für ... qualitativ hochwertige Coachingausbildung" vorzulegen, haben die Autoren ihre Latte sicherlich zu hoch gelegt. Vergleiche und Referenzen auf bestehende Ausbildungs- und Studiengänge sowohl im deutsprachigen Raum als auch international fehlen völlig. Internationale Coaching-Forschung wird nicht nur im Curriculum überhaupt nicht berücksichtigt, sie wird auch für die Evaluation von verwendeten Modellen und Theoremen ausgeblendet. Auch der Anspruch, ein "strategisches Curriculum" vorzulegen, ist aus dieser Sicht überrissen, wenn die eigenen Qualitätsmaßstäbe nicht transparent gemacht werden. Als Begleitbuch für eine bestehende Coaching-Ausbildung darf es gelten. Bedarf an erwachsenenbildnerischem Handwerkszeug gibt es immer.

Dr. Michael Loebbert

Programmleiter Coaching Studies FHNW – Fachhochschule Nordwestschweiz
www.coaching-studies.ch