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Thomas Kottmann, Carl E. Gross

about coaching. Einblicke in den Coachingprozess. Offenbach: GABAL.

Rezension von Thomas Webers

5 Min.

Das dürfte gar viele Leser interessieren: Was passiert in Coaching-Prozessen? Potenzielle Kunden wollen wissen, auf was läst man sich da ein? Einkäufer in Unternehmen wollen sicher gehen, verstehen die Coachs ihr Metier? Und die Coachs selber schauen nur allzu gerne den Kollegen einmal über die Schulter. Was können oder machen die, was man selber nicht kann oder macht?
Die Leser halten hier ein Buch in der Hand, das zuerst durch seine physische Machart (Hardcover und Design) auffällt - und zwar positiv. Das Buch ist hochwertig, liebevoll und professionell gestaltet. Orange zieht sich als Schmuckfarbe und als roter Faden durch das Buch. Immer wieder werden so Details heraus gehoben - im Text als auch in Fotos. Ebenso fungiert ein orangenfarbenes Lesezeichenbändchen als aufmerksames Assessoire. Ganzseitige Schwarzweiß-Fotos rahmen den Text, zeigen Klienten, Coachs oder kleine Stilleben. Hier hat sich eine Designerin (Franziska von Aspern) konsequent ausleben dürfen. Solches macht Lust auf die Lektüre.
Das Buch beginnt mit einem Vorwort von Professor Dr. Christopher Jahns, dem Päsidenten und CEO der European Business School (EBS), Schloss Reichhartshausen. Ein hochwertiges Entree, weiß man doch, oder erfährt man spätestens hier, dass die EBS ihren Studierenden ein Coaching-Programm bietet. Als nächstes treffen wir auf die Autoren: Carl E. Gross ist amerikanischer Wirtschaftspsychologe und langjähriger Coach. Thomas Kottmann ist Betriebswirt und langjähriger Trainer und Coach. Beide versprechen dem Leser eine pragmatische Annäherung ans Thema Persönlichkeitsentwicklung in Worten und Bildern.
Der erste Teil des Buchs lässt 22 Coaching-Klienten zu Wort kommen, die auf einer Buchseite resümieren, was Coaching für sie bewirkt hat. Darunter finden sich auch zwei Prominente: Henry Maske, der Boxer, und Heiner Brandt, der Handballnationaltrainer. Die Statements zu lesen wäre am Stück schnell langweilig geworden. So werden daher immer wieder Doppelseiten zwischen
geschaltet, in denen die Coachs über ihr Geschäft berichten. Man erfährt hier, was Coaching ist oder eben auch nicht sein soll ("Couching", wie man kontrastierend Therapie bezeichnen könnte). Auch werden einige Hinweise zur Funktionsweise und Bedienung des menschlichen Gehirns gegeben. Was einen guten Coach ausmacht, wird ebenso kurz skizziert als auch die Rolle von internem Coaching. All dies geschieht in kleinen Häppchen und kurzweilig. Bis hierhin, wie befinden uns nun in der Buchmitte, wurde der eher skeptische und unbedarfte Coaching-Aspirant behutsam und freundlich ans Thema herangeführt. Coaching-Einkäufer und erfahrene Coachs werden nichts Neues erfahren haben. Womöglich werden sie, ob nun eher abschätzig oder durchaus anerkennend, den Begriff Werbebroschüre in den Mund nehmen.
Im zweiten Teil des Buchs stellen Ernährungs-, Sport- und ein Schlafmediziner die Basics über einen guten Umgang mit dem eigenen Körper (physical coaching) vor. Das dritte Kapitel der Autoren kreist um die Begriffe Stress, Angst und Glück. Auch hier werden wieder die Basics dargestellt. Konzeptionell unklar erscheint, weshalb sich im Buch nun als viertes Kapitel ein wissenschaftlicher Anhang zum Thema Stress, seinen neurobiologischen und physiologischen Grundlagen und Folgen anschließt. Wollte man das vorhergehende Kapitel nicht zu schwierig machen? Dann hätte man mit diesem Buch wohl eher eine breite, eher unbedarfte Zielgruppe im Blick und weniger die Top-Führungskräfte, die sich als Testimonials im ersten Teil darstellen.
Doch so kompliziert ist der Stoff im "Anhang" nun auch wieder nicht. Und dem State oft the Art wird er auch nicht voll gerecht. Das Stresskonzept von Hans Selye (1936) ist nun mehr als überholt. Es verwundert, dass es hier so ausgebreitet wird. Stattdessen erfahren wir über das transaktionale Stressmodell von Richard Lazarus nur in wenigen Zeilen. Auch das hochinteressante Thema Psychoneuroimmunologie wird nur gestriffen. Ausführungen zur DIN EN ISO 10075 fehlen ganz.
Spätestens an dieser Stelle beginnt der aufmerksame Leser zu grübeln, welche Art von Buch er nun in Händen hält und wozu es ihm nutzen soll. Einkäufer in Unternehmen und Coachs sollten zu diesen inhaltlichen Themen mehr drauf haben. Die Themen an sich sind zwar wichtig, aber eben auch nur Basics. Über das weite Feld der anderen Themen im und für Coaching erfährt man nichts. Kaum etwas über den Coaching-Prozess und weitere wichtige Themen, sodass man für dies Zielgruppe getrost resümieren kann: Anschaffung überflüssig.
So bleibt praktisch nur die breite Zielgruppe der latent an Coaching Interessierten als potenzielle Käuferschaft übrig. Sie halten mit diesem Buch einen Teaser in Händen. Er sagt ihnen, dass Coaching für sie wichtig und eine hilfreiche Maßnahme sein kann, verrät aber kaum, wie Coaching konkret abläuft. Und somit ist dieses Buch auch wiederum für die genannten Coaching-Profis interessant: als Appetizer, den man latenten Klienten in die Hand drücken kann, als Geschenk, dass man solchen augenzwinkernd überreicht. Und als solches ist das im edlen Design auftretende Buch auch in der Tat anschlussfähig und geeignet.