Coaching-Tools

Motivation gezielt fördern

Ein Coaching-Tool von Professor Dr. Hugo M. Kehr und Matthias Strasser

11 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 1 | 2012 am 22.02.2012

Kurzbeschreibung

Mithilfe des 3K-Modells der Arbeitsmotivation kann man systematisch Zielkonflikte erkennen und reduzieren sowie die intrinsische Motivation erhöhen. Ausgehend von einer fundierten Analyse der Ziele und Bedürfnisse des Klienten können Coach und Klient hilfreiche Maßnahmen einleiten, um sinnvoll Ziele zu setzen und diese mit den unbewussten Motiven des Klienten abzustimmen.

Anwendungsbereiche

Der Einsatz des Tools lohnt sich vor allem in der Analysephase des Coachings. Zum einen, um von Anfang an aktuelle Ziele und Zielkonflikte schlüssig, prägnant und umfassend herauszuarbeiten. Zum anderen, um implizite (nicht bewusste) Motive des Klienten zu erfassen und mit den gegenwärtigen Zielen abzugleichen. In der Veränderungsphase des Coachings kann man mithilfe des Tools die Ziele des Klienten an seine persönlichen Motive anpassen und eine Verlaufsdiagnostik durchführen. Der Nutzen des Tools nimmt mit der Menge und der Komplexität von Zielen und Motiven des Klienten zu. Es eignet sich deshalb für Coaching-Klienten, die in Beruf und Privatleben vor vielfältige und komplexe Aufgaben gestellt werden.

Zielsetzung

Das Tool kann Selbsterkenntnis, Veränderungsbereitschaft und intrinsische Motivation fördern. Im ersten Schritt schafft man systematisch Klarheit über die Ziele und die bestehenden Zielkonflikte des Coaching-Klienten. Im zweiten Schritt ergründet man die tiefer liegenden, impliziten Motive des Klienten. Darauf aufbauend kann im dritten Schritt die Anpassung der persönlichen Ziele an die eigenen impliziten Motive erfolgen.

Ausführliche Beschreibung

In jedem Coaching geht es um berufliche und private Ziele der Klienten. In der Regel haben die Coaching-Klienten nicht nur ein einziges Ziel, sondern mehrere Ziele gleichzeitig. Einige dieser Ziele sind unabhängig voneinander und können auch separat im Coaching behandelt werden. Die meisten der Ziele aber bedingen sich gegenseitig: Sie fördern sich gegenseitig, widersprechen oder stören sich oder heben sich auf. Dazu kommt, dass nicht alle Ziele gleichermaßen energisch verfolgt werden. Manche Ziele packt man umgehend voller Energie und mit „Herzblut“ an, während man andere, zum Teil sehr wichtige Ziele hinten anstellt, weil man ein „ungutes Bauchgefühl“ hat oder emotional völlig unbeteiligt ist. In der Motivationspsychologie spricht man davon, dass man bei Zielen, die man mit Energie anpackt, intrinsisch motiviert ist. Man wird durch die persönlichen, meist unbewussten Motive energetisiert und fühlt sich auf eine positive Art zur Zielerreichung „getrieben“. Bei der zweiten Art von Zielen ist man dagegen extrinsisch motiviert. Man fühlt sich lediglich von äußeren Anreizen zu den Zielen „gezogen“.

Das 3-K-Modell der Arbeitsmotivation

Das 3-Komponenten-Modell der Arbeitsmotivation bietet die Grundlage für eine Reihe von Tools, mit denen diese Aufgaben gelöst werden können. Das Modell (s. Abb. 1) umfasst die drei Komponenten der Motivation: explizite (selbst eingeschätzte) Motive, implizite (unbewusste) Motive und subjektive Fähigkeiten. In der Coaching-Praxis verwenden wir dafür die Metaphern Kopf, Bauch und Hand. Explizite Motive bestimmen die eigenen rationalen Absichten, die persönlichen Ziele und die Bereitschaft, Handlungen auszuführen. Implizite Motive dagegen bestimmen Emotionen, mit der Handlung verbundene Hoffnungen und Ängste sowie unbewusste Bedürfnisse. Subjektive Fähigkeiten repräsentieren die Fertigkeiten, die Erfahrung und die Kenntnisse, die wir für die Verfolgung unserer Ziele und Bedürfnisse benötigen.

Wenn diese drei Komponenten bei einer Tätigkeit erfüllt sind, ist man intrinsisch motiviert, hoch konzentriert und erledigt die Dinge, die man sich vorgenommen hat, gern. Ist dagegen bei einer Tätigkeit oder einem Projekt nur eine dieser Komponenten nicht vorhanden, fühlt man sich wahlweise überfordert, lustlos oder planlos – auf jeden Fall nicht optimal motiviert. Solange diese Demotivation von einem subjektiven Fähigkeitsdefizit stammt, sind die Kompensationsmöglichkeiten relativ klar: Schulung, Weiterbildung, Training oder Unterstützung durch andere Personen können für die mangelnden Fähigkeiten kompensieren. Ist das Fähigkeitsdefizit rein subjektiv, zum Beispiel aufgrund vergangener Misserfolge oder mangelndem Selbstwertgefühl, kann die fehlende Motivation sehr gut allein durch Training und Mentoring zurückgewonnen werden.

Wie aber kompensiert man ein Motivationsdefizit, das aufgrund fehlender expliziter oder impliziter Motive besteht? Wenn Ziele und unbewusste Motive nicht übereinstimmen, braucht der Klient Willenskraft, um die mangelnde intrinsische Motivation zu kompensieren. Er muss Ziele trotz Unlust oder unguter Bauchgefühle hartnäckig und mit äußerster Selbstdisziplin verfolgen oder die eigenen Wünsche unterdrücken, um die wichtigen Dinge zu erledigen. Es gibt aber auch Techniken, mit denen man Ziele und implizite Motive näher zusammenbringt, also die Schnittmenge zwischen den beiden Bereichen vergrößert und so mehr intrinsische Motivation für die eigenen Ziele schafft. Das folgende Tool stellt eine Auswahl einiger dieser Techniken und einen sinnvollen Leitfaden für die Coaching-Praxis dar.

3-k-modell

Abb. 1: Das 3K-Modell der Arbeitsmotivation

Session 1: Ziele erkennen und Zielkonflikte vermindern

Zunächst geht es darum, Ziele und Zielkonflikte des Klienten zu erkennen. In der Terminologie des 3K-Modells befinden wir uns dabei im Bereich des „Kopfs“: explizite Motive, rationale Absichten, Ziele. Zur Verringerung von Zielkonflikten bietet das Modell eine ganze Reihe von Strategien. Eine systematische und einfache Strategie wird im Folgenden beschrieben. Vor der Session sollte sich der Coaching-Klient seine wichtigsten beruflichen und privaten Ziele aufschreiben. Anschließend folgt ein Schritt, der entweder vor der Session oder bei genügend Zeit auch während der Session gemacht wird: Jedes Ziel wird in eine von vier Kategorien eingeteilt:

  • Verbündeter: Ein Ziel, das sich besonders günstig auf die übrigen Ziele auswirkt.
  • Störenfried: Ein Ziel, das sich besonders ungünstig auf die übrigen Ziele auswirkt.
  • Opfer: Ein Ziel, das von den übrigen Zielen stark beeinträchtigt wird.
  • Begünstigter: Ein Ziel, das von den übrigen Zielen mit getragen und von ihnen unterstützt wird.

Sind die Ziele kategorisiert, gibt es für jede Zielkategorie eindeutige Maßnahmen und Regeln:

  • Verbündeter: Stellenwert des Ziels erhöhen, mehr Ressourcen darauf verwenden.
  • Störenfried: Wenn möglich, Priorität vermindern, zurückstellen, weniger gewichten.
  • Opfer: Es kostet viel Kraft, dieses Ziel ge genüber den anderen Zielen zu priorisieren. Entweder man verringert die Priorität des Opfers oder man überlegt sich Abschirmstrategien, mit denen man das Opfer vor den anderen Zielen schützen kann.
  • Begünstigter: Je nach Zielkonstellation entweder die Gunst der Stunde nutzen und sofort ohne viel Aufwand realisieren oder das Ziel „mitschwimmen lassen“, die Priorität verringern und davon profitieren, dass man diesem Ziel automatisch näher kommt, wenn man andere Ziele verfolgt.

Nicht immer kann man diese Empfehlungen 1:1 umsetzen. Eine wenig wünschenswerte Maßnahme wäre die Empfehlung „Familie abschaffen“, wenn familiäre Angelegenheiten die beruflichen Ziele stören. Der Wert der dargestellten Systematik liegt darin, dass Bereiche und Maßnahmenkomplexe aufgedeckt werden, in denen Zielkonflikte vorhanden sind.

Session 2: Unbewusste Motive erkennen

Motivation entsteht aus der Anregung von persönlichen Motiven. Eine Person mit einem hohen Leistungsmotiv wird gerade dann hoch motiviert bei der Sache sein, wenn sie die Gelegenheit wahrnimmt, sich selbst etwas beweisen zu können. Ein Großteil unserer Ziele wird von drei grundlegenden und meist unbewussten sozialen Motiven getrieben: Leistung, Macht und Anschluss. Jahrelange Forschung zu diesen Motiven hat erstens gezeigt, dass sich die Ausprägungen der drei Motive zwischen Personen sehr stark unterscheiden. Zweitens weiß man, dass die meisten Menschen ihre persönlichen impliziten Motive schlecht bis gar nicht selbst einschätzen können – sie sind eben unbewusst und in der Regel hat man keinen „Zugriff “ auf die eigenen impliziten Motive. Deshalb werden in der zweiten Session die impliziten Motive systematisch ergründet, um in der dritten Session Ziele und implizite Motive aneinander anzupassen.

Das Erkennen der impliziten Motive kann durch systematische Verhaltensbeobachtung (das ist der Königsweg, verlangt aber viel Zeit und Übung bei der Introspektion), durch situative und verhaltensbezogene Fragen (durch den Coach) oder durch Motivmessung (mit etablierten Tests) erreicht werden. Die Messung durch Tests ist ökonomisch, objektiv und wird in aller Regel als spannend und aufschlussreich akzeptiert. Im deutschen Sprachraum haben sich vor allem der Thematische Apperzeptionstest (TAT; Murray, 1938), das Multi-Motiv-Gitter (MMG; Sokolowski et al., 2000) und der Operante Motivtest (OMT; Kuhl & Scheffer, 1999) zur Messung impliziter Motive etabliert.

Bei diesen Verfahren assoziiert der Klient bestimmte Aussagen und Bedürfnisse mit Bildern. Er kann diese Tests in Eigenregie durchführen – die Auswertung erfolgt durch einen Diplom-Psychologen. Für das MMG und den OMT existieren leicht durchführbare Auswertungsschemata, weshalb diese beiden Verfahren dem viel aufwendigeren TAT in der Coaching-Praxis vorzuziehen sind. Die Testergebnisse sollten unbedingt mit dem Klienten besprochen werden und anhand von systematischer Selbst- und Fremdbeobachtung geprüft werden. Kehr (2009) liefert Leitfragen für die Einschätzung der eigenen Motive durch Selbstbeobachtung.

Session 3: Intrinsische Motivation für die eigenen Ziele herstellen

Jetzt werden die Ziele mit den impliziten Motiven abgestimmt. Es ist wichtig, dass Coach und Klient in Session 2 ein gemeinsames Verständnis für die impliziten Motive des Klienten entwickelt haben. Eine Reihe von Strategien kann nun helfen, die Motivation für die eigenen Ziele mit Hilfe der persönlichen Motive zu erhöhen.

Die Visualisierung der Ziele hilft dabei, auf die Bauchgefühle zu achten. Um den Kopf-Bereich an den Bauch-Bereich anzupassen, muss der Klient auf seine impliziten Motive achten. Die Anregung impliziter Motive und die daraus resultierenden Emotionen entstehen besonders bei mentalen Bildern und Vorstellungen. Bei jedem Ziel des Coaching-Klienten ist also auf seine damit verbundenen Emotionen zu achten, wenn er sich das Ziel bildlich vorstellt. So kann man feststellen, ob das Ziel bereits durch die impliziten Motive unterstützt wird (positive Emotionen bei der bildlichen Vorstellung) oder eben nicht (negative oder keine Emotionen bei der bildlichen Vorstellung).

Die Entwicklung einer Vision hilft bei der Ableitung der Ziele. Fällt es dem Coaching-Klienten schwer, sich seine Ziele bildlich vorzustellen, wird er in der Regel auch wenige Emotionen bei seinen Zielen spüren. Hier ist es oft wirksam, gemeinsam mit dem Klienten eine persönliche Vision – ein positives und erreichbares Bild der Zukunft – zu entwickeln. Sie kann an die bekannten impliziten Motive angepasst werden. Zum Beispiel wird die Vision, ein herausforderndes Projekt abzuschließen, bei dem die eigene Leistung entscheidend war, bei einem Klienten mit hohem Leistungsmotiv positive Emotionen auslösen. Elaboriert man diese Vision gemeinsam mit dem Klienten, kann man aus dieser Vision wiederum leistungsbezogene Ziele ableiten oder die zuvor bearbeiteten Ziele des Klienten in die Vision integrieren.

Eine ähnliche Technik ist das Reframing. Hierbei geht es darum, einige der Ziele, die der Klient in Session 1 genannt hat, so umzuformulieren, dass sie seine impliziten Motive ansprechen. Beispielsweise könnte ein Klient mit einem hohen Anschlussmotiv das Ziel haben, „mich weiterzubilden, um die Bereichsleitung zu übernehmen“ – ein Ziel, das so formuliert Macht- und Leistungsmotiv anspricht, aber nicht das Anschlussmotiv. Die Fragen des Coachs sollten nun darauf abzielen, welche anschlussbezogenen Vorteile, Möglichkeiten und Teilziele der Klient in diesem Ziel sieht. Beispielsweise könnte der Klient sich zum Ziel setzen, dass er bei den Weiterbildungen interessante Kollegen kennenlernt oder in der angestrebten Position mehr kommunizieren kann. Reichert der Klient auf diese Weise sein ursprüngliches Ziel an, wird er mehr positive Emotionen gegenüber dem Ziel empfinden und mehr Energie zur Zielerreichung verspüren.

Voraussetzungen/Kenntnisse

Die beschriebenen Tools richten sich an Coaches, die mit motivationspsychologischen Techniken arbeiten. Idealerweise haben sie eine psychologische Ausbildung durchlaufen und sind in ihrer Arbeit häufig mit Motivationsproblemen ihrer Coaching-Klienten konfrontiert. Die beschriebene Testauswertung verlangt Grundkenntnisse in psychologischer Diagnostik. Die Tests können von psychologisch geschulten Mitarbeitern objektiv ausgewertet werden. Kern der beschriebenen sowie weiteren Techniken ist das 3K-Modell der Arbeitsmotivation.

Ausblick

Die vorgestellten Maßnahmen zielen darauf ab, intrinsische Motivation herzustellen, also einen Zustand optimaler Motivation, der auf einem Abgleich von Zielen und Motiven basiert. Nicht mit allen Zielen ist das möglich. Und nicht immer sind Klienten bereit oder imstande, unmittelbar Ziele zu verfolgen, die ihren impliziten Motiven entsprechen. Deshalb ist es auch wichtig, die eigene Willenskraft einzusetzen und zu trainieren, um Ziele trotz innerer Widerstände zu realisieren und Überkontrolle (zu starke kopflastige Zielverfolgung) abzubauen. Auch für diese Problembereiche bietet das 3K-Modell Strategien (Kehr, 2009).

Technische Hinweise

Abhängig von Menge und Komplexität der Ziele und Zielkonflikte der Klienten dauern die einzelnen Sessions 60 bis 120 Minuten.

Literatur

  • Kehr, H. M. (2004). Integrating implicit motives, explicit motives, and perceived abilities: The compensatory model of work motivation and volition. Academy of Management Review, 29, 479-499.
  • Kehr, H. M. (2009). Authentisches Selbstmanagement – Ein wirksames Konzept zur Stärkung von Motivation und Wille (2. Aufl.). Weinheim: Beltz.
  • Schattke, K. (2011). Motivation mit Kopf, Bauch, Hand – und wissenschaftlicher Erkenntnis. Coaching-Magazin, 4/2011, 18-21.
  • Strasser, A. (2011). The relevance of mental images: Personal visions bridge the gap between implicit motives and personal goals (Doctoral dissertation). Technische Universität München. 

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