Methoden

Coaching mit ACT und Introvision

Die integrierte Anwendung zweier achtsamkeitsbasierter Verfahren im Coaching

Wie kann auf belastendes Erleben, das z.B. aus Ängsten resultiert, reagiert werden – sollte man etwa dagegen ankämpfen, indem negative Erfahrungen umgedeutet werden? Oder problembehaftete Situationen schlicht meiden? Mit dem hier vorgestellten Coaching-Konzept, das die achtsamkeitsbasierten Verfahren ACT (Acceptance and Commitment Therapie) und Introvision miteinander kombiniert, wird ein anderer Weg aufgezeigt. Die Akzeptanz von Problemkontexten bildet dabei den Ausgangspunkt, Entlastung zu erzielen und Kompetenzen im Umgang mit den unangenehmen Emotionen zu entwickeln.

13 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 3 | 2019 am 04.09.2019

In den letzten Jahren ist die Zahl der Anwendungsfelder und Zielsetzungen von Coaching-Maßnahmen vielfältiger geworden. Es kommen neue Zielgruppen hinzu und die Methoden, die im Coaching zur Anwendung kommen, haben sich weit aufgefächert. Angrenzende Verfahren haben die Vorgehensweisen im Coaching beeinflusst und bereichert.

Eine besonders enge Verbindung besteht zwischen Coaching und Psychotherapie. In beiden Verfahren wird eine Veränderung des Verhaltens, Fühlens und Denkens angestrebt. Die Entwicklung solcher Veränderungsmethoden geschah historisch gesehen vorwiegend im psychotherapeutischen Umfeld. Gerade heute, wo die psychotherapeutische Methodik von sprunghaft anwachsenden wissenschaftlich-empirischen Erkenntnissen profitiert (z.B. aus den Neurowissenschaften), kommen dem Coaching viele neue methodische Entwicklungen aus der Psychotherapie zugute.

Paradigmenwechsel in der Psychotherapie

Ein Wandel, der hier besondere Beachtung verdient, ist die sogenannte „dritte Welle in der Verhaltenstherapie“. Bei den ersten Schritten in der „klassischen Verhaltenstherapie“ stand die Lerntheorie Pate. Man betrachtete also menschliches Verhalten vorwiegend als durch Konditionierung bedingtes Reagieren auf äußere oder innere Reize. In dieser Phase sahen Verhaltenstherapeuten von dem Versuch ab, intrapsychische Vorgänge zu erschließen – diese galten also als „Blackbox“.

In der zweiten Welle überwand man diese Grenze und bezog in der „kognitiven Verhaltenstherapie“ innerpsychisches Geschehen in das therapeutische Vorgehen mit ein. Begriffe wie Gefühl, Motivation, Persönlichkeit, Eigenschaften gehörten nun ebenfalls zum Vokabular und wurden auch Gegenstand des therapeutischen Handelns. Diese Methodik bildet heute den Mainstream in der Verhaltenstherapie.

In der dritten Welle wandeln sich die Ziele und Mittel des therapeutischen Vorgehens ein weiteres Mal. In den zahlreichen Fällen, in denen man Patienten durch die gängigen Therapieansätze psychischen Schmerz nicht nehmen kann, versucht man nun eher, Kompetenzen im Umgang mit unvermeidlichem Leid zu entwickeln. Man denke an einen Menschen, der eine geliebte Person durch Krankheit oder Unfall verloren hat. Wäre es wirklich sinnvoll, diesem Menschen die Trauer zu ersparen, weil er unter ihr leidet? Selbst wenn dies möglich wäre, woher nähme man die Sicherheit, dass diese leidvolle Trauerzeit nicht ein integraler Bestandteil der notwendigen Traumaverarbeitung ist und somit die Bewältigung dieser Lebenskrise erst ermöglicht?

Und könnte es nicht sein, dass das ständige Bemühen, negatives Erleben loszuwerden oder abzuschwächen, uns gerade an dieses Erleben bindet? Hält uns das Grübeln und nach Auswegen Suchen – also die fortwährende Beschäftigung unserer „Denkmaschine“ mit dem beklagten Umstand – sogar eher in unserer Problematik gefangen, anstatt uns zu befreien? So wäre unser Widerstand gegen eine negative Erfahrung vielleicht nicht Teil der Lösung, sondern eher ein aufrechterhaltender Teil des Problems.

ACT und Introvision

Hier setzt die von Hayes et al. (1999) entwickelte Acceptance and Commitment Therapie (ACT) an. Der Name ACT (von „act“ wie „handeln“) drückt in verkürzter Form die Einsicht aus, dass ein den eigenen Werten verpflichtetes (Commitment) Handeln nur unter der Voraussetzung möglich ist, dass man bereit ist, die mit dem eigenen Handeln verbundenen unangenehmen Erfahrungen zu akzeptieren (Acceptance).

An Stelle des Wohlbefindens des Klienten rückt also seine Flexibilität als übergeordnetes Ziel in den Fokus: die Flexibilität, sein Handeln ohne Einschränkung durch Emotionen oder festgefahrene Denkmuster und an den eigenen Werten ausrichten zu können, um so zu einem sinnerfüllten Leben zu kommen (Hayes et al., 1999; Luoma et al., 2009). Den Klienten im Umgang mit unvermeidlichem Schmerz oder Leid zu unterstützen, ist ein besonderes Anliegen der ACT-Methodik.

Auch die an der Universität Hamburg entwickelte Introvision (Wagner, 2011) folgt einem ähnlichen Denkansatz. Mit dieser Methode wird das unangenehme Erleben in seiner handlungsleitenden Funktion direkt adressiert, um psychische Spannung zu reduzieren und dem Klienten damit sein volles Spektrum an Verhaltensoptionen zu ermöglichen. Die hohe Wirksamkeit beider Methoden ist in der wissenschaftlichen Forschung zu Psychotherapie und pädagogischer Psychologie umfangreich dokumentiert und mit hohen wissenschaftlichen Qualitätsansprüchen evaluiert (Buth, 2012; Pereira Guedes, 2011; Dahl et al., 2004; Eifert & Heffner, 2003).

Übertragung dieser Entwicklung in die Coaching-Praxis

Der somit in bestimmten Problemkontexten gebotene Verzicht auf den Anspruch, negative menschliche Erfahrungen zu vermeiden, eröffnet natürlich auch im Coaching neue Handlungsoptionen. So kann es sinnvoll sein, in Situationen, in denen die bewährten Coaching-Strategien schlecht greifen, den Kampf gegen das unangenehme Erleben aufzugeben. Natürlich ist dieses Vorgehen für Klienten kontraintuitiv, also etwas, was sie nicht erwartet haben und was ihren Verhaltensimpulsen zuwiderläuft. Hier ist auf allen Seiten ein Umdenken notwendig und die Bereitschaft, sich auf ungewöhnliches Vorgehen einzulassen. Gelingt diese Umorientierung, bewirkt sie häufig eine spürbare Entlastung. Ein Klient, der gegen eine unangenehme innere Erfahrung – also z.B. gegen eine Angst, gegen Ärger, gegen ein Gefühl der Machtlosigkeit – nicht mehr ankämpfen muss, wird mit dem Aufgeben seiner dysfunktionalen Kontrollversuche ein Nachlassen des innerlichen Drucks erleben. Diese Erleichterung und die dadurch geförderte Haltung der Akzeptanz kann eine Öffnung gegenüber weiteren Interventionen aus der ACT erzeugen.

ACT im Coaching

Welche Vorteile bietet es nun, diese an ACT orientierte Vorgehensweise im Coaching anzuwenden? Bei den entlehnten Techniken handelt es sich um sechs grundlegende Werkzeuge, die gleichwertig nebeneinanderstehen. Sie werden also weder von der Bedeutsamkeit noch vom Zeitpunkt des Einsatzes her in einer bestimmten Reihenfolge angeordnet. Es geht vielmehr um eine flexible, situationsbezogen abwechselnde Nutzung, weswegen die Darstellung in Form eines als Hexaflex bezeichneten Sechsecks (siehe Abb.) erfolgt (Luoma et al., 2009).

Acceptance and Commitment Therapie

Abb.: ACT-Hexaflex (nach Hayes et al., 1999)

Betrachtet werden die ACT-Werkzeuge nun am Beispiel einer Coaching-Klientin, die einen großen Widerstand dagegen empfindet, vor Menschen zu sprechen, obwohl dies eigentlich beruflich erforderlich wäre. Zunächst exploriert der Coach vergebliche Lösungsversuche, die es bisher gab. Dadurch entsteht eine für die Klientin unangenehme Situation, die in der ACT als „kreative Hoffnungslosigkeit“ bezeichnet wird (Harris, 2011). Es ist schmerzhaft zu erkennen, dass alle bisherigen Maßnahmen nicht weitergeführt haben und dass der Coach auch keine weiteren ähnlichen Maßnahmen empfiehlt. Aber genau hier hat die Klientin einen wichtigen Wendepunkt erreicht. Gerade so kann die Bereitschaft entstehen, die Vorgehensweise radikal zu verändern, nämlich weg vom Loswerden und hin zur Akzeptanz. Der Coach stärkt die Bereitschaft der Klientin, eine akzeptierende Haltung gegenüber dem störenden Erleben einzunehmen und damit anzuerkennen, dass dies ein Bestandteil des eigenen Lebens ist.

Nach den vielen gescheiterten Versuchen, ihre Redehemmung loszuwerden oder umzudeuten, lernt sie, dass das Akzeptieren dieses negativen persönlichen Erlebens ein bisher noch nicht beschrittener neuer Weg sein könnte. Infolge dieser Akzeptanz kann sie nun mit Unterstützung ihres Coachs die bisherigen Lösungsstrategien aufgeben. Sie entlastet sich von dem Bemühen, der Situation auszuweichen oder zu versuchen, ihre Angst als unbegründet zu „reframen“. Die bisher dadurch gebundenen Ressourcen der Klientin können nun in neuer Weise zu ihren Gunsten eingesetzt werden.

Beim Erarbeiten der Akzeptanz kommt parallel ein zweites ACT-Werkzeug zum Einsatz. Immer wieder stellt der Coach im Gespräch Fragen wie: „Was fühlen Sie, während Sie das beschreiben? Können Sie für einen Moment atmen und dabei auf Ihren Körper achten?“ So wird die Aufmerksamkeit immer wieder auf eher nichtsprachliche Aspekte des behandelten Themas gelenkt. Das unterstützt die Haltung der „achtsamen Präsenz“, die sich für beide Seiten – bei Klientin und Coach – als Erweiterung der gewohnten eher analytisch-konvergenten Herangehensweise als fördernd erweist.

Solche Achtsamkeits- oder Präsenztechniken werden durchgehend während der gesamten Zusammenarbeit angewendet. Bei umfangreicheren Maßnahmen sollte die Fähigkeit zur „achtsamen Präsenz“ vom professionell arbeitenden Coach unbedingt explizit geschult werden. Es empfiehlt sich, früh im Prozess mit Achtsamkeitsübungen zu beginnen und der Klientin diese als Aufgabe auch für die Zeit zwischen den Sitzungen mitzugeben.

Ein weiteres Tool, das nun zur Anwendung kommen kann, ist die „kognitive Defusion“. Klienten sind in der Regel davon überzeugt, dass ihre Sicht, ihr Verständnis der Situation und damit auch ihr Handeln logisch sind. Diese Überzeugung trägt oft wesentlich zur Aufrechterhaltung des Problems bei. Die Klientin ist in ihrem Denken gefangen (Fusion) und ihr Handeln ergibt sich sozusagen zwingend aus ihren Gedanken. Deswegen ist es hilfreich, diese festgefügten Überzeugungen zu lockern. Dabei geht es darum, die kognitiv-sprachlich repräsentierten, angstbezogenen Überzeugungen der Klientin durch nicht-sprachliche, erlebensbasierte Interventionen zu entflechten. Durch zirkuläres Fragen erreicht man bei rational betonten Menschen oft, dass sie ihre eigenen Gedanken infrage stellen. Bei spielerisch veranlagten Klienten kann man kreative Defusionstechniken anwenden. Man kann problemerhaltende Sätze wie „Fehler beim Vortrag sind eine Katastrophe“ verfremden, indem man sie z.B. mit Papageienstimme spricht oder auf eine Kinderliedmelodie singt.

Alternativ kann der Coach aber auch zur „Werteorientierung“ wechseln. Er würde eine der ACT-Methoden zur Ermittlung der persönlichen Werte der Klientin verwenden. So erhält sie die Möglichkeit, ihre wichtigen Werte zu erkennen und deren Wirkung auf ihr Leben zu verstehen. Im nächsten Schritt wird der Coach dann herausarbeiten, welchen Bezug das Sprechen vor anderen Menschen zu dem persönlichen Wertesystem der Klientin hat. Es könnte sich zeigen, dass das öffentliche Sprechen unverzichtbare Voraussetzung für eine angestrebte berufliche Karriere ist. Wäre dieser Karrierewunsch nun mit einem wesentlichen persönlichen Wert verknüpft, z.B. einer finanziell abgesicherten Zukunft oder größerer persönlicher Freiheit, wäre die Klientin bereit für den nächsten Schritt.

Der Coach kann nun der Klientin das ACT-Konzept der „Akzeptanz und Bereitschaft“ vorstellen, um so eine grundlegende Verpflichtung zum werteorientierten Handeln zu verankern. Das wesentliche Merkmal von Bereitschaft im ACT-Sinne ist der „Entweder-oder-Charakter“. Ich kann nicht ein bisschen vom Drei-Meter-Brett springen. Ich kann es nur tun oder nicht tun. Es geht bei der Klientin also nicht um das Beseitigen der Angst, um sodann vielleicht unbeschwert reden zu können, sondern um die Entscheidung, öffentlich zu sprechen, und die Bereitschaft, die Angst als begleitendes Gefühl dabei zu akzeptieren. Im Beispiel hieße das, mit der Klientin durch ACT-Techniken einen akzeptierenden Umgang mit ihren negativen Emotionen zu üben. So lernt sie, die Steuerung des eigenen Verhaltens von den hinderlichen Emotionen zu entkoppeln.

An dieser Stelle kann der Coach zum Punkt „Engagiertes Handeln“ überleiten, wobei diese Komponente des ACT-Hexaflex den Coaching-Prozess in Form von Handlungsvorschlägen und Hausaufgaben schon von Anfang an begleitet. Besonders nachdem durch die bisherigen ACT-Methoden der Weg bereitet ist, macht es Sinn, Handlungspläne zu erarbeiten und umzusetzen. Hier können auch viele weitere klassische Ansätze wie Aufbau von Handlungskompetenzen, Desensibilisierung, Exposition, Verstärkung usw. eingesetzt werden. Der Coach lenkt den Fokus immer wieder auf das, was die Klientin mit Händen und Füßen tut, nicht mit dem Kopf.

Das „Kontext-Selbst“ stellt einen Bezugsrahmen dar, der den gesamten Coaching-Prozess implizit begleitet (Hayes et al., 1999). Die unvoreingenommene Klientin wird ihr Selbst vorrangig als Sammlung vieler im Lauf des Lebens erworbener Konzepte über sich selbst begreifen. Im Coaching wird versucht, mit der Klientin weg vom „Selbst-als-Konzept“ zum „Kontext-Selbst“ zu gelangen.

Um zu erklären, was unter dem „Kontext-Selbst“ verstanden wird, soll das Bild einer alten Villa herangezogen werden. Die Villa steht unverändert schon mehrere hundert Jahre. In dieser Zeit wechseln sich Generationen von Bewohnern mit all ihren wechselnden Schicksalen, mit freudigen wie traurigen Ereignissen ab. Mal ist das Leben in der Villa laut und bunt, mal still und beschaulich. All dies ändert sich ständig, doch die Villa selbst ändert sich nicht. Sie stellt den Rahmen, also den Kontext dar. In ihr gab es Freude, Schmerz, Trauer, Glück, aber sie blieb immer die gleiche, ungeachtet dessen, was in ihr ablief. Das gleiche gilt für unser Selbst. Auch in uns gab es Freude, Schmerz, Trauer, Glück, aber wir waren und sind nicht diese Ereignisse und dürfen uns nicht mit diesen verwechseln. Wir sind die, die all dies erleben, also der Erlebenskontext.

Dieses Beispiel kann helfen, den Begriff des „Kontext-Selbst“ verständlich zu machen. Allerdings erschöpft sich das Arbeiten mit ACT nie darin, Begrifflichkeiten zu verändern, sondern zielt immer auf veränderte Prozesse und Verhaltensweisen, also eine Flexibilisierung der Person ab. Deswegen ist es wichtig, dass es auch beim „Kontext-Selbst“ um veränderte Erfahrung für die Klientin geht, die durch erlebensbetontes Vorgehen im Coaching zu fördern ist. Dieser Einblick in die Methodik der ACT soll verdeutlichen, inwiefern sie in ganz besonderer Weise für eine Verwendung im Coaching geeignet ist:

  • Die freie und variable Handhabung der Techniken entspricht der freieren, ungebundenen Auftragsgestaltung im Coaching (im Vergleich zu dem engeren, durch den aktuellen Krankheitsbegriff definierten Auftrag in der Therapie).
  • Die Abwendung vom Bemühen, erst die eigenen Gefühle verändern zu wollen, bevor man handlungsfähig wird, gibt dem Klienten, der meistens schon alle möglichen diesbezüglichen Bemühungen hinter sich hat, eine neue und vielversprechende Perspektive.
  • Das handlungsorientierte Vorgehen – unterstützt durch erfahrungsbetonte Übungen und Metaphern – hilft dem Coach, Fortschritte durch die Aktivierung eines flexibilisierten Verhaltens zu erzielen.
  • Das Element des persönlichen „Commitment“ fördert das aktive Mitmachen des Klienten, indem es die Selbstbestimmtheit und Eigenverantwortung ins Zentrum stellt und so die Motivation fördert.
  • Die Einführung des Wertebegriffs in das Coaching ermöglicht eine Verankerung der Ziele des Klienten in seinem persönlichen Wertesystem. Dadurch wird die Bindung an das angestrebte Ziel des Coaching-Prozesses vertieft und validiert.
  • In das ACT-Coaching lassen sich mühelos Methoden integrieren, mit denen der Coach durch seine bisherige Arbeit schon vertraut ist. So ist ein fließender Übergang zwischen ACT und anderen Coaching-Elementen möglich.

Introvision als Ergänzung

Eine besonders hilfreiche und passgenaue Bereicherung der Arbeit mit ACT stellt die Introvision dar. Sie ist eine eigenständige Methode, die völlig unabhängig von der ACT entwickelt wurde. Beide ergänzen sich aber ideal. Als ebenfalls achtsamkeitsbasiertes Verfahren kann die Introvision besonders das Arbeiten mit „Akzeptanz und Bereitschaft“ und „Defusion“ ergänzen oder ersetzen.

Es geht um das Auflösen innerer Konflikte durch bewusstes Fokussieren negativen inneren Erlebens (Wagner, 2011). Wie in der ACT-Arbeit werden auch bei der Introvision negative Gedanken und Gefühle, die in bestimmten Lebenssituationen auftreten, direkt angesteuert. Klienten wenden in ihrem Alltag eher entgegengesetzte Strategien an. Sie weichen unangenehmem Erleben aus, indem sie schwierigen Situationen aus dem Weg gehen, sie sich schönreden, sich betäuben und ähnliches. Gegen diese Tendenz führt der Coach den Klienten bei der Introvision schrittweise in das unangenehme Erleben und eröffnet durch dieses kontraintuitive Vorgehen häufig ungewöhnliche oder neue Perspektiven und Zusammenhänge. Diese kann man als Coach mit dem Klienten weiterverfolgen.

Auch ändert sich häufig durch den Introvisionsprozess spontan die Qualität des Erlebens. Diese Veränderungen sind emergent. Weder der Klient noch der Coach steuern oder kontrollieren sie. Die Introvision schafft lediglich die Voraussetzungen für ihr Eintreten. Oft erleben die Klienten dadurch eine starke, manchmal völlige Entlastung von den störenden, teilweise quälenden Erfahrungen, die sie als Anlass für ihr Coaching mitgebracht haben.

Die Vorgehensweise der Introvision ist dabei in klare, leicht lernbare Schritte gegliedert. Sie wurde von Prof. Dr. Angelika C. Wagner an der Universität Hamburg über einen langen Zeitraum entwickelt und die einzelnen Entwicklungsschritte begleitend immer wieder wissenschaftlich evaluiert (Wagner, 2011).

Fazit

Beide Verfahren lassen sich gut integrieren, die theoretischen Grundlagen korrespondieren in hohem Maße und beide Methoden sind außerordentlich umfangreich wissenschaftlich validiert. Die Erfahrungen der Autoren legen nahe, dass dieser integrierte Coaching-Ansatz aus ACT und Introvision eine wirksame und effektive Vorgehensweise darstellt.

Literatur

  • Buth, Britta (2012). Introvision als Coachingmethode für Tinnitusbetroffene. Wiesbaden: Springer VS.
  • Dahl, JoAnne; Wilson, Kelly G. & Nilsson, Annika (2004). Acceptance and commitment therapy and the treatment of persons at risk of long-term disability resulting from stress and pain symptoms. Behavior Therapy, 4, S. 785–802.
  • Eifert, Georg H. & Heffner, Michelle (2003). The effects of acceptance versus control contexts on avoidance of panic-related symptoms. Journal of Behavior Therapy, 3/4, S. 293–312.
  • Harris, Russ (2011). ACT leicht gemacht. Freiburg: Arbor.
  • Hayes, Steven C.; Strosal, Kirk D. & Wilson, Kelly G. (1999). Acceptance and commitment therapy. New York: Guilford Press.
  • Luoma, Jason B.; Hayes, Steven C. & Walser, Robyn D. (2009). ACT-Training. Paderborn: Junfermann.
  • Pereira Guedes, Nicole (2011). Dauerhafte Auflösung chronischer Nackenverspannungen durch Introvision. Dissertation. Universität Hamburg.
  • Wagner, Angelika C. (2011). Gelassenheit durch Auflösung innerer Konflikte. Stuttgart: Kohlhammer.

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