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Monika Klinkhammer

Supervision und Coaching für Wissenschaftlerinnen. Theoretische, empirische und handlungspraktische Aspekte. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Rezension von Silvia Deplazes

4 Min.

Das Buch geht der Frage nach dem Bedarf an Supervision und Coaching bei Wissenschaftlerinnen nach. Dazu werden viele Aspekte beleuchtet, die einen Einfluss auf diesen Bedarf haben, wie zum Beispiel der Karriereweg in der Wissenschaft oder auch die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit von Wissenschaftlerinnen. Doch die Ausführungen beschränken sich nicht auf den Bedarf, sondern es wird reflektiert, wie diesem Beratungsbedarf im Berufsfeld der Wissenschaft entsprochen werden kann. Der Titel offenbart - bei genauer Betrachtung - einen weiteren Fokus des Buches: Die weibliche Form der Wissenschaftlerin weist darauf hin, dass der Faktor Geschlecht vertieft diskutiert wird. Das Buch richtet sich an Wissenschaftlerinnen mit den Schwerpunkten Hochschulforschung, Frauen- und Geschlechterforschung sowie an SupervisorInnen, TrainerInnen und Weiterbildungsinstitute.
Wenn mit dem Zielpublikum zwar SupervisorInnen, nicht aber Coachs angesprochen werden, dann, weil die Autorin den Begriff der Supervision als weitergehenden Begriff definiert und Coaching als eine Form der Supervision, nämlich als Leitungssupervision, versteht. Sie tut dies nicht, ohne sich vorher mit den Definitionen und Leitgedanken der beiden Beratungsansätze auseinandergesetzt zu haben.
Der Einführung in die Beratungsbegriffe folgt die Auseinandersetzung mit dem möglichen Bedarf an Coaching und Supervision für Wissenschaftlerinnen. Vertieft wird in professionstheoretische und berufsrollenspezifische Aspekte eingeführt. Alle Ausführungen werden auch unter der Perspektive des Geschlechts reflektiert. Der theoretischen Einführung folgt die empirische Darstellung des Stands der Forschung über Wissenschaftlerinnen sowie betreffend Supervision und Coaching von Wissenschaftlerinnen. Darauf folgend werden eigene Forschungsergebnisse einer qualitativen Befragung präsentiert. Hier wird auf den subjektiv eingeschätzten Beratungsbedarf von Nachwuchswissenschaftlerinnen eingegangen. Die Untersuchung integriert die in der Theorie eruierten zentralen Einflussgrößen auf den Beratungsbedarf. Die methodische Konzeption wird vorgängig vollumfänglich dargestellt.
Kürzestes Fazit ist, dass die Wissenschaftlerinnen, wenn man sie direkt danach fragt, keinen Bedarf an Supervision oder Coaching äußern. Die Autorin ortet aber aus den übrigen Aussagen der Wissenschaftlerinnen, wie auch basierend auf den theoretischen Grundlagen, einen großen Bedarf an beraterischer Unterstützung.
Auf der Grundlage dieser theoretischen und empirischen Erkenntnisse erarbeitet die Autorin ein Beratungs- und Handlungskonzept von Supervision und Coaching von Wissenschaftlerinnen. Hierbei wird der Ansatz der Gestalttherapie eingeführt und besonders hervorgehoben. Abschließend werden konkrete Momente genannt, an denen Wissenschaftlerinnen in ihrer Karriere beraterisch begleitet werden könnten.
Insgesamt erscheint das Buch - angereichert mit vielen Zitaten - sehr fundiert und verweist im sehr reichhaltigen Literaturverzeichnis auf relevante und spannende Quellenangaben. Der Aufbau und die Struktur des Buches orientieren sich mehr an wissenschaftlichen Arbeiten als an Praxishandbüchern (schade, dass gewisse Grafiken nur schwer leserlich sind). Trotzdem finden sich vor allem in den Schlussfolgerungen der Kapitel und natürlich im letzten Kapitel viele Hinweise für die Praxis.
Die Kapitel sind sehr ausführlich, teilweise vielleicht etwas langatmig gestaltet. Gerade einige Repetitionen machen es aber möglich, selektiv Kapitel und Textteile auszuwählen und losgelöst vom ganzen Buch zu lesen. Die Kapitel werden immer ausführlich eingeleitet und am Schluss mit einem Fazit zusammengefasst, welches auch verständlich ist, wenn nicht die gesamten Ausführungen gelesen werden.
Die Auseinandersetzung mit den Beratungsformaten Supervision und Coaching nehmen in diesem Buch nicht den größten Raum ein. Die expliziten Ausführungen zu Supervision und Coaching finden sich eingangs in den beratungstheoretischen Grundlagen, der begrifflichen Klärung der beiden Beratungsformate und im entwickelten zielgruppenspezifischen Beratungs- und Handlungskonzept. Dieses bildet im letzten Kapitel den Transfer in die Praxis. Dazwischen wird durchaus auf Supervision und Coaching verwiesen, allerdings steht die Reflexion, in welchem Zusammenhang diese Beratungsformate hilfreich sein könnten, im Vordergrund.
Die Abgrenzung der beiden Beratungsformate, bei der die Supervision als übergeordneter Begriff und Coaching als eine Unterform verstanden wird, verläuft nicht nach den in der Coaching-Literatur weitgehend verwendeten Definitionen. Hier zeigt sich auch der Heimathafen der Autorin, der in der Supervision zu verorten ist. Ihre Biografie und Affinität zum Thema beschreibt sie in der Einleitung eingehend.
Als Ratgeber oder Praxishandbuch ist dieses Buch sicherlich nicht zu bezeichnen. Empfohlen werden soll es Interessierten, die sich neben der Praxis vertieft auch mit Theorie und Empirie beschäftigen und sich thematisch mit der Beratung von Wissenschaftlerinnen mit genderspezifischem Fokus auseinandersetzen möchten.

Silvia Deplazes

ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften