Sandra Heinzelmann

Regie im eigenen Leben?! 7 Strategien für effektives Selbst-Coaching. Paderborn: Junfermann.

Rezension von Thomas Webers

4 Min.

Wenn eine TV-Journalistin, PR-Redakteurin und Pressesprecherin nach etlichen Jahren Berufspraxis Coach wird, dann hat sie etwas zu erzählen. Einerseits profitiert sie von ihrer bisherigen Profession und kann diese Erfahrungen, die Methoden und Konzepte nützlich fürs Coaching werden lassen. Solches ist immer wieder anregend und bereichernd, ist doch etliches Repertoire im Coaching inzwischen zunehmend bekannt, auch weil vieles ursprünglich aus dem therapeutischen Kontext stammt. 

Andererseits hat eine solche "Quereinstiegsautorin" auch so ihre Gründe, warum sie nun zu neuen Ufern aufbricht . Sie blickt auf eine Reihe - eben auch nicht so schöner - Erfahrungen zurück, die sie reflektiert, auf- und verarbeitet. Von beidem zehrt das Buch
- in vielfältiger Hinsicht. 

Der Film ist eine schöne Metapher für das Coaching - als Weg wie als Ziel. Ein Film wird, ob Autorenfilm oder Hollywoodproduktion, gemacht. Man kann Sujet und Requisiten wählen, mit Akteuren besetzen, schneiden, ihn vor- und zurückspulen... Alles liegt in der Hand des Regisseurs. Und das ist die Botschaft Sandra Heinzelmanns: Werde Dein eigener Regisseur! Damit geht’s selbstverständlich auf die Metaebene, auch für den Coach, aber das ist ja nichts Neues, an den "Schneidetisch des Lebens". Dann werden Szenen verworfen, neu geschrieben, Dialoge ausprobiert und so weiter. 

Sieben Strategien weisen als Kapitel den Weg: 

1. Wählen Sie Genres...? (...bevor diese Sie wählen).
2. Schreiben Sie das Drehbuch...? (...bevor es Sie schreibt).
3. Besetzen Sie Ihre Darsteller..? (bevor diese Sie besetzen).
4. Setzen Sie Licht...? (bevor Sie im Dunkeln tappen).
5. Schlagen Sie bewusst den Ton an...? (...bevor er Sie anschlägt).
6. Balancieren Sie alles am Set Ihres Lebens aus? (...bevor Sie aus dem Gleichgewicht kommen).
7. Setzen Sie Ihr bewusstes Ich auf den Regiestuhl? (...bevor Ihr Ego ihn übernimmt). 

Die Kapitel sind unterschiedlich breit und tief, aber logisch in der Abfolge. Teilweise werden umfangreiche Fallbeispiele aus eigenem Erleben, aber auch aus Klientensicht gebracht. Etliche Coaching-Formate und Konzepte werden dabei vorgestellt. Und jedes Kapitel schließt mit Übungen und Aufgaben ab, so dass man hier systematisch Arbeitsmaterial an die Hand bekommt. Ein achtes Kapitel zeigt die Strategien im Einsatz bei drei exemplarischen "Lebensfilmen". Und ein neuntes Kapitel resümiert die wertvollsten Regietipps der Autorin. 

Insgesamt fällt auf, dass die Autorin neben eigenen Tools wie dem Dialog-Skripting auch Tools und Formate anderer einsetzt, beispielsweise The Work© von Byron Katie; dies mag man eklektisch nennen. Es verwundert auch, dass die Autorin die naheliegende Frage nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zur Transaktionsanalyse nicht aufgreift. Auch andere Konzepte wie das Innere Team (Schulz von Thun) werden nicht diskutiert, sondern einfach aufgenommen und angewandt. Das Literaturverzeichnis ist kurz gehalten. 

Nun spricht der Untertitel des Buchs allerdings von Selbst-Coaching. Zielgruppe dieses Buchs ist daher offenbar nicht primär der coachende Kollege, sondern die breitere Gruppe potenzieller Klienten. Sie bekommen mit diesem Buch womöglich Geschmack an einer intensiveren Beschäftigung mit sich selbst und dem eigenen Leben. Diese Gruppe wird vielleicht auch dankbar sein für die vielen Beispiele aus dem Leben der Autorin, die ihr sagen: "Schau, solche Probleme wie Du sie hast, hatte ich auch. Ich habe sie gelöst, und Du kannst Deine auch lösen." 

Dem coachenden Kollegen werden solcherlei Beispiele möglicherweise zu sehr aus dem "Nähkästchen" sein. Doch auch er oder sie kann vom Regie-Konzept profitieren und womöglich die ein oder andere Anregung nützlich finden und aufgreifen. Denn wollten wir nicht alle einmal die Hauptrolle in einem Film spielen...? Sicher erinnert sich die ein oder andere an den Film "Don Juan DeMarco" (1995), das Regiedebüt des Drehbuchautors und Psychotherapeuten Jeremy Leven. Der Psychiater (Marlon Brando) will einen jungen New Yorker (Johnny Depp) behandeln, der von sich glaubt, er sei Don Juan DeMarco. Bis der Arzt sich von der romantischen Sichtweise des Patienten anstecken lässt...

Nach oben