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Christoph Steinebach, Daniel Jungo, Rene Zihlmann

Positive Psychologie in der Praxis Anwendung in Psychotherapie, Beratung und Coaching. Weinheim: Beltz.

Rezension von Michael Tomoff

3 Min.

"Was erwarten Sie von guter Psychologie?", das ist die gute und in das Buch einführende Frage. Und entgegen der lange Jahre vorherrschenden Meinung, die Psychologie sei etwas, das repariere und "heile" mache, versuchen die Autoren in ihrem Sachbuch, diese Frage mit sehr jungen und stärker erforschten Aspekten zu beantworten: denen der Positiven Psychologie.
Die drei Herausgeber Christoph Steinebach, Daniel Jungo und René Zihlmann aus der Schweiz laden dazu ein, eine große Bandbreite an Perspektiven zur Sicht des "guten Lebens" einzunehmen. Neben der Erklärung ihr zuspielender Konzepte wie z.B. dem des Flow, des Humors oder auch der Achtsamkeit wird der Fokus auf die Praxisfelder gelegt, in denen die Positive Psychologie ihre Anwendung findet oder finden könnte.
Ob die Nutzung "positiv psychologischer" Instrumente in der Diagnostik oder die ressourcenorientierte Psychotherapie beleuchtet wird, aus der Sicht "posttraumatischer Reifung" oder der Blick auf die Führungsetage (positive leadership) gerichtet wird - die Autoren geben einen spezifischen Einblick in Instrumente, Modelle, Theorien aber auch praxisnahe Beispiele zur Etablierung der Positiven Psychologie. Diese werden stets mit Belegen und ausgiebigen Literaturangaben für die tiefergehende Lektüre ergänzt.
Für mich war das Kapitel "Positive Psychologie für die Diagnostik" eine wahre Fundgrube an bereits seit langer Zeit eingesetzten und fundierten Instrumenten. Es war eine Überraschung, die vielen Parallelen in Bezug auf diejenigen diagnostischen Instrumente zu entdecken, die es bereits zur Positiven Psychologie gibt.
Enttäuscht war ich dagegen vom Kapitel "Coaching und Positive Psychologie". Auf die Frage "War Coaching schon immer positiv?" geben die Autoren keine direkte Antwort, sondern beschreiben das (für mich teils fragliche) Entstehen des (systemischen, lösungsfokussierten) Coachings anhand des Rubikonmodells und darin befindlicher (SMARTer) Ziele. Ich hätte mir hier stärker praktische Anwendungsmöglichkeiten, Interventionen sowie Informationen zur Wirksamkeit gewünscht.
Auch der Ausblick zur Positiven Psychologie blieb unter meinen Erwartungen. Er enttäuscht mit philosophischen Geschichten aus dem Nähkästchen und Erfahrungen aus den zahlreichen abgenommenen mündlichen Prüfungen des Autors. Schade, denn obwohl eine philosophische Sichtweise und Betrachtung der "Einheit von leiblicher und seelischer Wirklichkeit" (S. 241) sicherlich interessante Diskussionen entfachen kann - mein Ausblick blieb neblig.
Fazit: Obwohl einige Passagen trocken und sehr wissenschaftlich aufbereitet sind, erhält der Leser eine Fülle fundierter Informationen, Grafiken und Beispiele, die die Positive Psychologie aus vielen Perspektiven beleuchten und auch zum besseren Coaching-Verständnis beitragen. Wer allerdings leichte Kost und ein Handbuch von Tools und Anwendungen aus der Positiven Psychologie für Coaching, Beratung und Therapie erwartet - wie der Titel leicht vermuten lässt - wird hier enttäuscht.

Michael Tomoff

Dipl.-Psych.
michael@tomoff.de
www.tomoff.de