Elisabeth Haberleitner, Elisabeth Deistler, Robert Ungvari

Führen, Fördern, Coachen: So entwickeln Sie die Potentiale Ihrer Mitarbeiter. München: Piper.

Rezension von Petra Jagow

4 Min.

Ein Buch für Führungskräfte - basierend auf zahlreichen Seminaren mit dieser Zielgruppe auf der Suche nach einem konstruktiveren Umgang mit den aktuellen und zukünftigen beruflichen Anforderungen einer Führungsrolle.
Inhaltlich ein plausibler Einstieg - in gewandelten Organisationen und Unternehmen funktioniert rein hierarchische Führung nach dem tayloristischen Prinzip nicht mehr. Vorstellungen wie "Einer denkt, die anderen arbeiten" oder auch "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" haben ausgedient. Sie kosten zuviel Zeit und Kraft und verschenken zudem das wertvolle Potenzial der Mitarbeiter, die angeblich nur auf Anweisung arbeiten. Ein solches Führungsverständnis bleibt nicht ohne Folgen, die Mitarbeiter vermissen die Wertschätzung und verweigern sich Zug um Zug. Die jeweilige Führungskraft hat so innerhalb kürzester Zeit den Eindruck, dass sie nur "schlappe" Mitarbeiter hat und eigentlich am besten alles selbst macht. Ein Teufelskreis schließt sich.
Die Autoren möchten Wege aufzeigen, wie sich dieser Kreis durchbrechen lässt. Dafür schlagen sie vor, die Grundhaltung und geeignete Elemente des Coachings aufzugreifen und als Führungskraft diese im Umgang mit den Mitarbeitern einzusetzen, um diese so zu entwickeln, ihre Mitwirkung zu steigern, ihre Entwicklung zu fördern und ihre Eigenverantwortung bei der Zielerreichung zu stärken. Zitat Klappentext: "Führungskräfte haben es schwer! Sie sollen den Unternehmenserfolg garantieren, zugleich aber auch Vorbild und qualifizierter Begleiter ihrer Mitarbeiter sein. Die Lösung heißt Coaching - eine Führungsmethode (!), die Selbstverantwortung und unternehmerisches Denken der Mitarbeiter fördert sowie gleichzeitig mehr Freiraum für die Bewältigung strategischer Aufgaben schafft."
Um Führungskräfte für diese Sicht der Dinge zu gewinnen, werden methodisch sauber alle theoretischen Grundlagen im Umgang von Menschen miteinander aufgeführt. Daran anschließend werden diese Zug um Zug für ihre Relevanz in Bezug auf das gewünschte Coaching-Verhältnis übersetzt und mit zahlreichen Fallbeispielen aus der Praxis unterfüttert. Die theoretischen Modelle und Konstrukte werden durch Grafiken plastischer, typische Verhaltensweisen und Denkmuster in Form von Schaubildern zur Übersicht gegeneinander gestellt.
Das kann man als Autor so konzipieren, doch entscheidende psychologische Fragen bleiben dabei offen: Was tun gegen die angesprochenen Ängste, die zunächst entstehende Verwirrung der Mitarbeiter, aber sicher auch die der Führungskraft selbst? Und noch entscheidender: Wer sind denn diese Führungskräfte, die sich zukünftig als Coach ihrer Mitarbeiter verstehen sollen? Wer in einer Organisation befördert wird, zeichnet sich nach Erfahrung der Rezensentin durch ein bestimmtes, ergebnis- und effizienzorientiertes Verhalten aus. Dieses Verhalten nun plötzlich aufgrund der Lektüre eines Buches grundlegend zu verändern, das ist unrealistisch. Denn die Angst vor Fehlern gilt in diesen Zeiten für Führungskräfte genau so wie für Mitarbeiter.
Hiermit sollen nicht die Inhalte angezweifelt werden, aber den Anspruch des Buches an sich - als könnte eine Führungskraft sich damit eigenständig weiterentwickeln: zum Coach ihrer Mitarbeiter. Wenn auch durchgängig darauf verwiesen wird, es solle in dieser Form des Coachings um rein berufliche Aspekte zwischen Führungskraft und Mitarbeiter gehen: Aus dem externen Coaching wissen wir, genau diese Trennung ist mehr als künstlich. Und es ist sinnvoll, dass es externes Coaching, Seminare und ähnliche Formen gibt, denn ein bewährtes Verhalten zu verändern, erfordert ungeheure Energien und setzt zugleich auch immer tief sitzende Ängste frei. Nicht ohne Grund haben sich dafür geschützte Räume entwickelt, um sich neuen Formen vorsichtig anzunähern und zugleich Bedenken und Befürchtungen aufzufangen und zu begleiten.
Das wissen die Autoren aus eigener Erfahrung aus ihren Seminaren selbst, um so erstaunlicher die Vehemenz, mit der sie von der "idealen Welt" sprechen und diese mit ihren Vorschlägen vermitteln möchten - so als könnte die willige Führungskraft bei genügender Einsicht und Anstrengung vor dem Hintergrund all der weiterlaufenden Anforderungen in beruflichen Alltag das alles alleine bewältigen. Von daher kann man die Lektüre als sinnvolle Ergänzung, Unterstützung und Vertiefung ansehen, um an einer solchen Haltung zu arbeiten. Das Lesen alleine kann aber kein Coaching ersetzen. Diesen Anspruch zu vermitteln, greift deutlich zu hoch, das ist meine klare Kritik am Werk. Denn wer es versucht, gerät unter Umständen in noch größere Probleme als mit seiner bisherigen Methode, die zudem in weiten Teilen weiterhin belohnt wird von Organisationen und Unternehmen.
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