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Helmar Dießner

Familiencoaching – Soziales Lernen für Familien. Dortmund: Borgmann Media.

Rezension von Till Mrongovius

3 Min.

Kann dieses Buch über Familien-Coaching für den Businessbereich geeignet sein? Schauen wir uns es zunächst einmal an: Das Buch besteht aus zwei Teilen, einem sehr kurzen - 20-seitigen - Einführungsteil, in dem sehr knapp die nötigsten Begriffe aus Kommunikation und Psychologie angerissen werden, sowie einem Teil mit 81 Übungen.
Die Einführung wirkt eher überflüssig: Für den Einsteiger ist sie viel zu oberflächlich, um ihn mit den nötigen Kenntnissen zur Anwendung der Interventionen zu versorgen, für den erfahrenen Praktiker schlicht unnötig, weil er nichts Neues erfährt. Der Autor zitiert hauptsächlich sich selbst, erst in der Literaturliste am Ende des Abschnitts wird auf viele gängige Werke zum Selbststudium verwiesen.
Die Interventionen im zweiten Teil sind sehr übersichtlich nach dem immer gleichen Prinzip gegliedert: Unter dem Titel stehen eine Reihe von Schlagwörtern, das erforderliche Material und Hinweise mit Zeitangaben. Danach schließen sich mehrere Durchführungsbeschreibungen und Reflexionsanleitungen an. Jede Beschreibung schließt mit möglichen Modifikationen und kreativen Verschreibungen.
Leider fehlt bei den Übungen völlig eine Indikation, wie man sie nicht nur von Medikamenten-Beipackzetteln kennt. Auf Ziele der Intervention, mögliche Kompetenzzuwächse, Möglichkeiten und Grenzen der Anwendung, sowie psychologische/psychotherapeutische Hintergründe wird detailliert nicht eingegangen. Der Autor erwähnt explizit, dass "alle Übungen neu entwickelt und aus dem [eigenen] Erfahrungsfeld […] niedergeschrieben wurden" und daher nur wenig Quellen angegeben werden. Daher bleibt es dem Leser überlassen, sich aus den teils kryptischen Stichwörtern des Untertitels und dem Inhalt diese einbettenden Informationen zusammenzureimen. Das gelingt natürlich nur erfahrenen Anwendern. Auch die Schlagwörter werden leider nicht in einem Verzeichnis irgendeiner Art referenziert, so dass man keine Möglichkeit hat, gezielt nach Übungen beispielsweise zum Thema "Selbstwert" zu suchen. Nach der letzten Übung endet das Buch mit Werbung für weitere Werke des Verlags.
Die Übungen sind deshalb eigentlich nur für erfahrene Coachs überhaupt zu nutzen, denn der Leser muss die Wirkung, die Risiken, aber auch die Chancen der einzelnen Übungen für die Gruppe selbst einschätzen können. Da manche Übungen auch in sehr persönliche Bereiche der Privatsphäre eindringen, muss er zudem Erfahrung damit haben, Teilnehmer unter Umständen emotional aufzufangen. Zu all dem stehen aber in keiner Übung Hinweise, die dem Coach das erleichtern würden - bis auf eine Übungssektion "Nur für erfahrene Coaches".
Um das Buch für den Businessbereich zu verwenden, muss man sich zunächst Gedanken über die Unterschiede von familiären Gruppen und Gruppen im Arbeitsleben, wie Projektteams oder Abteilungen machen. Vor allem die unterschiedlich großen Bereiche des Selbst- und Fremdwahrnehmung (größere private Person, kleinere öffentliche Fassade), sowie unterschiedliche Rollen- und Machtstrukturen müssen bei der möglichen Wirkung der Interventionen beachtet werden. Dennoch gibt es eine überraschend große Anzahl an Interventionen, die als Anregung für Übungen in einem Business-Workshop herhalten können, aber es bedarf einiger Modifikationen.
Fazit: Die Aufmachung spiegelt eine einfache Methodensammlung wieder. Dazu kommt, dass diese Methodensammlung wegen spärlicher Information eigentlich nur für den erfahrenen Praktiker anwendbar ist, der ähnliche Übungen in Wirkung und Hintergrund schon kennt. Für den Businessbereich gibt es sicher bessere Alternativen, obwohl sich viele der Übungen mit Fingerspitzengefühl auch an den geschäftlichen Kontext anpassen lassen.

Till Mrongovius

Perspektiven.leben
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