Kerstin Hack

Coaching Basics. Menschen begleiten und fördern.

Rezension von Thomas Webers

4 Min.

Ein Phänomen: Das Buch - mit einem Umfang von lediglich 40 Seiten, aber zu einem unverschämt günstigen Preis - rangiert derzeit unter den zehn meistverkauften Titeln beim Onlinebuchhändler Amazon. Wie soll man sich das erklären? Warum kaufen dermaßen viele Menschen diese (na ja, Buch kann man nicht wirklich sagen) Broschüre? Weil sie so preisgünstig ist? Weil sie Einsteigerwissen auf den Punkt bringt? Oder weil die Autorin eine dermaßen große Fangemeinde um sich schart? Der unbedarfte Leser wird hier nur spekulieren können. Was also erwartet ihn?
"Coaching ist einfach", zitiert die Autorin Steve De Shazer, "aber nicht leicht". Damit ist die methodische Richtung schon verraten. Pfiffig ist, wie die Autorin ihr Wissen über 28 Lektionen auf vier Wochen verteilt: Für jeden Tag eine Seite. Ein Brevier, das seinen Leser wie einen Spruchkalender nebst kleiner Tagebucheinlage begleiten kann. Jedes dieser Tageskapitel wird mit einem Sinnspruch eröffnet, führt dann das Thema aus und mündet in immer zwei Handlungsanweisungen: "Denk mal" und "Mach mal". Die vier Wochen haben die Überschriften: 1. Was ist Coaching? 2. Ziele finden. 3. Möglichkeiten sehen. 4. Wege gehen. All dies wird gefällig mit Fotos von Berg-/Fassadenkletterern illustriert.
Kann man die Themen auf dermaßen wenigem Platz einigermaßen verantwortlich darlegen? Kann man. Es kommt allerdings darauf an, was man darunter verstehen möchte. Nimmt man den Begriff "Basics" ernst, hat man es hier mit - nicht mehr und nicht weniger als - dem "Kleinen Einmaleins" des Coachings zu tun. Auch die Integralrechnung basiert schließlich auf den vier Grundrechenarten ... Man wird also mühelos auf dem Buchmarkt breiter und tiefer angelegte, fundiertere und differenziertere Titel finden; oder sich die Coaching-Kompetenz in praktischen Weiterbildungsveranstaltungen selbst erarbeiten.
Das Büchlein ist folglich wie eine schlichte Melodie, die der Experte durchs offene Fenster von draußen vernimmt und sogleich die mehrstimmige Symphonie dazu imaginiert. Keine Frage, dabei wird gar manche Schlichtheit und Ungenauigkeit der in der Gasse geträllerten Weise offenbar. Doch was kümmert es den Meister? Ob nun aus dem großen "Kybernetiker 2. Ordnung" der Wald- und Wiesenförster wird oder ein Watzlawick-Zitat im Büchlein Maslow unter falschem Vornamen untergeschoben wird - das mag dem Anfänger egal sein. Und man muss der Autorin zugutehalten, dass sie in den abschließenden Literaturtipps Champions wie Meier & Szabó, Radatz, Prior sowie von Schlippe & Schweitzer aufführt. Sie schafft es ergo, ohne viel Brimborium oder Fachchinesisch Coaching-Sachverhalte auf den recht einfachen Punkt zu bringen. Das muss man zunächst anerkennen. "Coaching ist einfach" …
… "aber nicht leicht". Und daher stellt sich dringend die Frage nach der Zielgruppe dieses Büchleins. Man kann es als Selbst-Coaching-Leitfaden nutzen. Wer weiß, wie schnell man beim Telefon-Coaching mit der Autorin landet? Doch gibt es eine zweite Lesart: Der Leser wird immer wieder als Coach-Aspirant angesprochen. Sollte das nur Rhetorik sein? Nach dem Motto: "Du machst das ja nicht für Dich, ich weiß, sondern bloß, weil Du anderen helfen möchtest!" Ist schon klar: Die Akquiseabsicht ist eine plausible und offensichtliche, aber eben auch sublime Lesart - die prinzipiell nicht verwerflich ist.
"Coaching ist einfach, aber nicht leicht". Man sollte das Rezept nicht mit dem fertigen Menü und dieses nicht mit dem erstklassigen Geschmackserlebnis verwechseln. Vom ehemaligen Chief Technology Officer der IBM, Gunter Dueck, stammt die schöne Metapher von der Tütensuppe, die alle haben wollen, die aber eben nicht simpel vom Erfahrungsniveau eines Sternekochs herunter skaliert werden kann. Insofern: Es gibt eine breite Palette vom Imbiss bis zum Edelrestaurant. - Wir haben die Wahl. Aber "satt" werden sie alle.
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