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Wissenschaft

Einsatz des Coachings im Rahmen eines 360°– Feedbacks

Wirkfaktoren und Hindernisse aus der Sicht von Führungskräften 

Viele Unternehmen setzen das 360°-Feedback im Rahmen von Trainingsprogrammen für Führungskräfte ein. Allerdings hängt das Ausmaß der Nützlichkeit eines solche Feedbacks von einigen Faktoren ab, so zum Beispiel von der Änderungsbereitschaft des Klienten, seiner Grundeinstellung gegenüber Feedbacks im Allgemeinen, seiner Einschätzung einer Veränderungsmöglichkeit, aber auch inwieweit er in der Lage ist, aus diesem Feedback Handlungspläne abzuleiten. Befunde weisen darauf hin, dass der Einsatz eines Coachs bei der Rückmeldung der Ergebnisse des Multisource-Feedbacks dessen gewünschte Wirkung erhöhen kann (Smither, London & Reilly, 2005). Die Autoren, Robert Hooijberg und Nancy Lane, Mitarbeiter des International Institute for Management Development in Lausanne, untersuchen in dieser qualitativen Studie, welche Faktoren die Wirksamkeit des Coaching innerhalb eines 360°-Feedbacks aus Sicht beteiligter Führungskräften fördern oder behindern.

4 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 3 | 2010 am 13.07.2010

An der Onlinebefragung beteiligten sich 232 Führungskräften, die an einem von acht verschiedenen Trainingsprogrammen einer der führenden Europäischen Business Schools teilnahmen. Diese Trainings waren zum Teil spezifisch auf einzelne Unternehmen zugeschnitten. Als gemeinsames Element beinhalteten jedoch alle acht eine 360° - Evaluation zur Entwicklung der Führungskraft inklusive einer Einzelsitzung mit einem Coach (Dauer 60 - 90 min). Zum Zeitpunkt der Online-Befragung waren die Trainings bereits seit mehr als vier Monate beendet.

Die retrospektive Befragung bestand aus acht Fragen, die sich auf die Beziehung zwischen Klient und Coach, die Kompetenzen des Coachs, Hindernisse und förderliche Faktoren des Coachings, sowie die Verantwortlichkeit des Klienten bezogen. Die Wirkung des Coachings wurde durch drei Fragen erfasst, die das Ausmaß der Leistungsbereitschaft des Klienten direkt nach dem Coaching, der längerfristigen Umsetzung der im Coaching erarbeiteten Ziele, sowie Beispiele für Veränderungen durch das Coaching beinhalteten.

Aus der Sicht der befragten Führungskräfte war vor allem die Interpretation der Feedback-Ergebnisse (34,8% der Antworten) durch den Coach hilfreich. Hierunter fielen unter anderem:

  • eine grundlegende Erklärung des Feedbackprozesses,
  • die Identifikation und Interpretation von Mustern in den abgegebenen Einschätzungen,
  • das Angebot unterschiedliche Perspektiven auf das Feedback,
  • sowie die Hilfestellung bei der Reflektion der erhaltenen Rückmeldungen und
  • die Analyse der Stärken und Schwächen.

An zweiter Stelle mit 27,5 Prozent aller Antworten lag die Empfehlung klarer und eindeutiger Handlungen als Konsequenz aus den Feedbacks, gefolgt von der allgemeinen Professionalität des Coachs (23,3% aller Antworten), unter der von  den Führungskräften

  • eine gute Vorbereitung,
  • die Fähigkeit, eine gute Atmosphäre zu schaffen (z.B. offen, positiv, vertrauensvoll)
  • gezielte Fragen zu stellen, zuzuhören, aber auch
  • das Angebot einer Nachbesprechung  subsummiert wurde.

Die allgemein als bedeutsam betrachtete Fähigkeit des Coachs, den Klienten darin zu begleiten, seine eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen, wurde von den befragten Führungskräften eher selten als hilfreich genannt (1,2 % aller Antworten). 

Auf die Frage, was der Coach hätte besser machen können, gab ein Drittel der Befragten an, mit ihrem Coach zufrieden zu sein. Ein weiteres Drittel wünschte sich vom Coach ein weiteres konstruktives, tiefergehendes Feedback und mehr Unterstützung bei der Ableitung eines Handlungsplans. Außerdem wurde der Wunsch nach konkreten Handlungs-empfehlungen durch den Coach sehr deutlich.  

Bei der Umsetzung der Feedbackergebnisse im Anschluss an das Coaching  stellen aus Sicht der Führungskräfte sie selbst eines der größten Hindernisse dar (27,1%). Diesbezüglich nannten sie vor allem ihre eigene Einstellung, die eigene Persönlichkeit, Angewohnheiten und Rückfälle in alte Verhaltensmuster. Eine zweite Antwortkategorie macht deutlich, dass die „tägliche Routine“ die Umsetzung der Coachingergebnisse behindert, ebenso sowie die „zeitliche Beschränkung“ und organisationale Strukturen“.

Als besonders hilfreichen Faktor sahen die Führungskräfte ihre eigene Person (37,1% der Antworten). Diesbezüglich wurden vor allem Veränderungen in der eigenen Haltung, Neubewertung der Informationen und das Erlebnis positiver Ergebnisse genannt. Gefolgt wurde dies von der Interaktion mit anderen (19,2%), d.h. die Diskussion mit Kollegen, dem Coach, sowie mit den anderen Trainingsteilnehmern, und den unternommenen, eigenen Handlungen (Zielvereinbarungen, stärkere Fokussierung, Umsetzung des Handlungsplans).

Fazit:  Die vorliegende Untersuchung liefert ein Feedback zur Wirksamkeit aus der Perspektive der Klienten. Für den Einsatz des Coachings im Rahmen des 360°-Feedbacks in einem Trainingsprogramms für Führungskräfte wäre demnach zum Beispiel ein längerfristiger  Coaching-Prozess anstelle einer einzelnen Coaching-Sitzung hilfreich, um die Umsetzung der Erkenntnisse aus dem 360° Feedback zu begleiten und den Klienten zu unterstützen, Hindernisse wie den Rückfall in ihre alltägliche Routine, zu beseitigen. Eine allgemeine Aussage über die Wirksamkeit des Coachings ist auf der Basis dieser Untersuchung allerdings nicht möglich. Die qualitative Methodenwahl, das fehlende kontrollierte Design und die retrospektive Befragung erlauben diesbezüglich keine Schlussfolgerungen. 

Literatur

Hooijberg, R. & Lane, N. (2009). Using Multisource Feedback Coaching Effectively in Executive Education. Academy of Management Learning & Education, Vol.8, No.4, 483-493

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