Führung

Coaching mit arroganten Führungskräften

Umgang mit Arroganz

12 Min.

Erschienen im Coaching-Newsletter in Ausgabe 07 | 2013

Nur wenige sind arrogant genug, um die Wirklichkeit dauerhaft auszublenden. Und diejenigen, denen es gelingt, die Wirklichkeit dauerhaft auszublenden, nennt die Fachwelt Psychopathen. Dazu schreibt die ZEIT ONLINE unter dem Titel "Was Chefs mit Psychopathen gemein haben", dass, wie Studien belegen, bei Managern überdurchschnittlich oft psychopathische Auffälligkeiten beobachtbar seien. Das mache sie erfolgreich. Doch die Mitarbeiter leiden unter ihrer Art zu führen. Psychologen schätzen, dass zwischen ein und zwei Prozent der Bevölkerung psychopathische Charakterzüge haben. In den Führungsetagen liegt die Quote aber vermutlich deutlich höher, bei mehr als zehn Prozent.

Wesentlich häufiger anzutreffen und in ihren Eigenschaften weniger ausgeprägt als Psychopathie, ist Arroganz. Wenn wir jemanden als arrogant bezeichnen, dann weil diese Person anmaßend, dünkelhaft, überheblich, hochmütig und eingebildet wirkt und sich für etwas Besseres hält. Weil Arroganz als Schutzmantel dient, bezeichnet sich selbst kaum jemand als arrogant.

Arrogante neigen dazu, sich hervorzutun, obwohl sie sich innerlich oft minderwertig fühlen. Ihre Überheblichkeit beziehen sie daraus, dass sie andere kleinmachen, abwerten, erniedrigen. So schaffen sie eine Schutz bietende Distanz zu anderen. Jean Rostand sagt: "Arroganz ist das Selbstbewusstsein des Minderwertigkeits-komplexes.

"Psychopathen meiden Coaches wie der Teufel das Weihwasser. Werden sie vom Schicksal auf die richtige Größe gestutzt, suchen sie die Gründe außerhalb ihrer Wirkungsmöglichkeiten – bei anderen. Etwas offener sind Arrogante. Wenn das Schicksal in Form von Überlastungssignalen und negativem Feedback von Mitarbeitern bei ihnen anklopft, sind sie eher bereit, sich infrage zu stellen.

Sie stellen sich ihrer Verantwortung, oft aus der Erkenntnis heraus, dass sie ihre wichtigste Aufgabe, nämlich Führen, nie wirklich gelernt haben. Rückblickend wird ihnen bewusst, dass sie aufgrund ihrer fachlichen Qualifikationen oder ihrer hervorragenden intellektuellen Fähigkeiten Stufe um Stufe aufgestiegen sind und nun erkennen müssen, dass sie auf einer Ebene wirken, auf der Informieren und Kommunizieren die meiste Zeit beansprucht. Zusätzlich erkennen sie, dass die Sprüche der Altvorderen, wonach man Mitarbeiter überzeugen und sich durchsetzen müsse, nicht mehr stimmen, auch weil die Mitarbeiter selbstbewusster und oft fachlich überlegen sind. So leben sie in einer Welt, in der die eigene Ohnmacht der Macht der Mitarbeiter gegenübersteht. Sie merken: Gute Mitarbeiter können mit Gehen erpressen, schlechte mit Bleiben.

Kluge Manager ziehen Bilanz und fragen sich, wofür sie so viel höher als die Mitarbeiter entlohnt werden und was ihnen fehlt. Was sie dabei oft wahrnehmen, benennt Laurende J. Peter in dem nach ihm benannten Peter-Prinzip: Diese Manager haben sich bis zur Stufe der Unfähigkeit emporgerackert oder aus falsch verstandener Loyalität Ja gesagt, wo sie besser verzichtet hätten. Ihre ureigenen Kompetenzen helfen ihnen nicht mehr und die für die jetzige Position notwendigen fehlen.

Auch wenn es lange Zeit gelingt, Führungsschwächen mit arrogantem oder autoritärem Verhalten zuzudecken – irgendwann ist Schluss. Im Focus 11/2013 wird berichtet, dass Berthold Beitz, "der es als seine Lebensaufgabe begreift, Fortbestand und Ansehen" von Thyssen-Krupp zu garantieren, den umstrittenen Aufsichtsratsvorsitzenden Cromme fallen ließ. Cromme hatte noch im Dezember 2012 getönt: "Ich werde überhaupt nicht zurücktreten. Ich bin keiner, der vor Verantwortung wegläuft".

Da haben wir es, das so arg strapazierte Wort "Verantwortung". In Nachlagewerken lesen wir "wer Verantwortung für etwas hat, muss für seine entsprechenden Handlungen und Versäumnisse und deren Folgen einstehen". Einfach zurückzutreten und weiterhin Chauffeur, Sekretärin, Büro und Einkommen zu beanspruchen ist damit nicht gemeint.

Die Wichtigkeit der richtigen Führungskraft

Immer mehr Mitarbeitern wird bewusst, was sie im Management erwartet und so wollen sie das, was sie dort brauchen, vorher lernen. Auch um zu entscheiden ob eine solche Karriere der richtige Weg für sie ist.

Immer weniger Mitarbeiter nehmen als gleichgültig hin wer ihre Führungskraft ist oder wird. Und immer mehr Mitarbeiter begreifen, dass es erfolgsentscheidend ist, wer das "Schiff" steuert. Anders als in der Marine gehen in der Wirtschaft die "Kapitäne" immer häufiger vor dem Crash "von Bord", oft abgesichert mit "vergoldeten Handschlägen". Ersaufen dürfen die Mitarbeiter!

Was motiviert zu so harten Statements – insbesondere aus der Perspektive eines Coachs? Ein Beispiel von vielen mag diese Frage beantworten. Der Aufsichtsrat eines weltweit tätigen Mittelständlers setzte für den Vorstandssprecher ein Coaching an, weil es Veränderungsnotwendigkeiten in dessen Verhalten gab. Um sich für oder gegen ein Engagement zu entscheiden, informierte sich der Coach aus öffentlichen Auftritten des Managers, aus dessen E-Mails und der Korrespondenz mit Mitarbeitern über gezeigte Verhaltensweisen.

Er las das vom potentiellen Klienten formulierte, dem Aufsichtsrat und den Eigentümern nicht bekannte, Leitbild des Unternehmens und nahm die häufigen Befehlsformen, die Benennung der Mitarbeiter als Beschäftigte, gewolltes mitarbeiterorientiertes Führen, Worte wie Durchsetzungsvermögen und Überzeugungsfähigkeit als Verhaltensweisen beim Wert "partnerschaftlich" zur Kenntnis.

Dass er Mitarbeitergespräche als Verhandlungen bezeichnete und Anregungen wie "Vertrauen ist wichtig, sichern Sie sich mit Verträgen und schriftlichen Bestätigungen ab" gab, ließ annehmen, dass das Konvolut aus verschiedenen Quellen abgeschrieben war oder, dass der Vorstandssprecher nicht wusste, was er da von sich gab. Dass ein Gespräch kein Ziel, immer aber ein Ergebnis hat und dass Vertrauen, welches einen Vertrag braucht, Misstrauen ist, schien er nicht zu wissen. Dass er die so wichtige Maßnahme wie die Entwicklung eines Leibildes so unwichtig nahm und die Zielgruppe so abspeisen wollte, ließ schon hier auf Überheblichkeit, ja sogar Arroganz schließen.

Die Annahme des Coachs war, dass sich über Feedback zu seiner Wortwahl eine sprachliche Sensibilisierung und Interesse an weiteren Aktivitäten ergeben würde. Im ersten Gespräch mit ihm wurde seine Lernbereitschaft, die Bereitschaft zum Verzicht auf Bisherigkeit als Grundlage entsprechender Aktivitäten geprüft.

Coach und Klient waren allein. Der Klient hatte lediglich die Information, dass "sich jemand um ihn kümmern müsse". Eine nicht gerade motivierende Aufforderung von Seiten des Aufsichtsrats. Für das für zwei Stunden geplante Gespräch hatte sich der Coach den restlichen Nachmittag freigehalten. Wenn sich die "Schale" öffnet und der Klient das Berühren des "Kerns" ermöglichte, sollten die nächsten Schritte, die Analyse und Definition unmittelbar folgen.

Es kam jedoch ganz anders: Vorwürfe gegen die Eigentümerfamilie, gegen den Aufsichtsrat, das Begründen eigener Verhaltensweisen mit dem zu negativen Betriebsrat, der unfähigen zweiten Ebene und der zu billigen Konkurrenz schienen keine Ende zu nehmen. Nur er selbst kam in seiner Rechtfertigung nicht vor. Die aus den Formulierungen im Leitbild gefolgerte Arroganz bestätigte sich jetzt bis zur Vermutung, einem Psychopathen gegenüber zu sitzen. Zu einem Gespräch über das von ihm verantwortete Leitbild und seinen Anteil am Geschehen kam es nicht. Er hatte sich für das Coaching, das er als "Pflichtübung" bezeichnete, nur wenig Zeit eingeplant und musste angeblich wichtige Termine wahrnehmen.

Damit entzog er der für ihn so notwendigen Hilfe die Grundlage. Obwohl ihm der Aufsichtsrat nahelegte, weitere Gespräche mit dem Coach zu führen, konnten auch diese Gespräche keine Einsicht erreichen. Der Coach kann dann dem vorher Unbelehrbaren zur Verstärkung von dessen Motivation die Folgen der Arroganz aufzeigen und ihm bei dessen Entwicklung helfen. Im genannten Beispiel gelang dies nicht. Zwei Jahre später arbeitet der Coach mit seinem Nachfolger, der ein verantwortungslos zurückgelassenes Wirrwarr in Ordnung zu bringen hat.

Mündige Mitarbeiter entziehen sich der Arroganz ihrer Führungskräfte. Auch deshalb werden beratungs- und coachingresistente Führungskräfte seltener. Immer mehr begreifen, dass sie Verursacher ihres eigenen Schicksals sind und verste-hen die Umwelt als Spiegel, die auch Verhaltensweisen zeigt, die man ohne ihre Aktionen und Reaktionen nicht wahrnehmen könnte.

So hat das Bewusstsein um die Möglichkeiten, die Coaching eröffnen kann, auch arrogante und sogar psychopathische Führungskräfte erreicht – wobei letztere besser in einer Psychotherapie aufgehoben wären.

Der Weg zum Coaching in Abgrenzung zum Training

Entwickeln der Führungspersönlichkeit, Generationenwechsel, Mut zu Entscheidungen, Realismus statt Optimismus, miteinander sprechen statt verhandeln, Einsicht erzeugen statt überzeugen, Gefühle statt Emotionen, Zutrauen statt Vertrauen u.a. sind Schlüsselthemen geworden, die von Klienten als Bedarfe genannt werden. Bevor es zu einer Zusammenarbeit kommt, muss die Beziehung tragfähig sein. Beziehung meint nicht "sich mögen", sondern "wechselseitige Bedürfnisbefriedigung", die auf dem Zutrauen des Klienten zum Coach, zu seiner Kompetenz und seinem Zutrauen, dass er den Weg wirklich gehen will, aufbauen kann.

Um dies zu beantworten lernen sich Coach und Klient kennen. Nachdem seine Gründe für das gewollte Coaching bekannt und seine Erwartungen geklärt sind, beginnt der Prozess, der vom Wissen zum Können und zum Coaching führt. Diesen Weg kann man gut an einem Beispiel deutlich zu machen: Fußball.

Nachdem der Neuling sich und dem im Verein Zuständigen zutraut, ihn erfolgreich zu machen, erfährt er zunächst die für ihn neuen oder sein bereits vorhandenes Wissen ergänzenden Spielregeln. In diesen Spielregeln sind die gewollten Ergebnisse festgelegt.

Entscheidet sich der Interessent diesen Weg zu gehen, wird er zunächst zum Lernenden und Übenden: aus der Information, der Theorie, wird die Anwendung, die Praxis. Dabei wechselt die Rolle seines Gesprächspartners vom Informanten zum Trainer. Irgendwann nimmt der Trainer die Begabung des Spielers wahr und beginnt, ihn individuell zu trainieren. Oft reicht das aus, um Spitzenspieler zu produzieren.

Merkt der Trainer, dass der Spieler zwar alles weiß und kann, aber im Spiel schwächelt, zu wenig Teamgeist zeigt oder andere rollenspezifische Kriterien vermissen lässt, bietet er Coaching an. Coaching beginnt, wenn Training nicht zum Erfolg führte – wenn der Spieler alles kann, es aber in der Praxis nicht tut.

Der Lernprozess daraus ist: Theorie ist eine zwingend notwendige Grundlage. Die Regeln, innerhalb derer die Führungskraft ihre Leistung zu erbringen hat, müssen genauestens bekannt sein. Darauf aufbauend wird zunächst trainiert – aus Wissen wird Können. Erst dann, wenn Können in schwierigen Situationen, z.B. bei Freistellungsgesprächen wegen verständlichem Mitleid mit den zu Entlassenden, nicht genutzt werden kann, ist Coaching notwendig.

Wo Coaching Training ablösen muss

Sollten sich bei der Verwirklichung von Ideen und Aktivitäten innere oder äußere Widerstände zeigen, braucht Wissensvermittlung und Training der hilfreichen Verhaltensweisen zusätzlich Coaching.

Ein Geschäftsführer einer deutschen Tochterfirma eines internationalen Konzerns bekam die Aufgabe, die Mitarbeiterzahl zu reduzieren. Wie und womit er die Auswahl der zu entlassenden Mitarbeiter und die Gespräche mit den Betroffenen führen könnte, hatte er bald verstanden und sich fleißig Notizen gefertigt.

In Übungsgesprächen mit einem Coach und einem als Sparringspartner eingeladenen Trainer zeigte er nach einigen Wiederholungen passable und erfolgsfähige Verhaltensweisen. Als er nach einigen Tagen anrief, signalisierte schon seine Stimme ein Problem. Er könne es nicht übers Herz bringen, langjährige Kollegen zu entlassen. Jetzt war Coaching notwendig. Zwei Inhalte seiner Information waren bedeutungsvoll und leiteten das Coaching ein: seine Somatisierung des Prozesses und das Missverständnis seiner Rolle. Um es kurz zu machen: Dass er die Situation von seinem Befinden lösen und seine Rolle als Führungskraft (nicht als Kollege) annehmen konnte, hat ihm zwar die Gespräche nicht leicht, aber möglich gemacht.

Die Last der Glaubenssätze

Dass der Begriff Coaching inzwischen für alles Mögliche und Unmögliche herhalten muss, macht sowohl die Aktivitäten beliebig als auch die Erfolge zufällig. Coaching in der Praxis ist die Gesamtheit der Maßnahmen, mit denen Können anwendbar gemacht wird. Dazu ist es oft erforderlich die Glaubenssätze, die die Anwendung verhindern, abzulegen oder zu verändern. Ein Chirurg der, ausgestattet mit Wissen über den Körper und dessen Funktionen, an Leichen trainiert hat, muss vom Glaubenssatz, dass man andere nicht verletzen darf, frei werden, um als Operateur zu funktionieren.

Bei solchen Prozessen sagen Klienten oft: "Ich will mich nicht verbiegen". Die meisten von uns, wenn nicht alle, sind durch Erziehung, Gehorsam und Glaubenssätze schon verbogen. Fast immer gilt hier die Antwort, die Michelangelo auf die Frage, wie er den wunderbaren David geschaffen habe, gab: "Ich habe nur weggeschlagen, was nicht dazugehörte". Erst wenn der Übende weglassen kann "was nicht dazugehört" merkt er, unter welchem Ballast er gelitten hat. Von nicht mehr tauglichen Glaubenssätzen befreit, kann der Klient nun entscheiden, welche Werte und Ziele sein künftiges Leben bestimmen dürfen und mit wem er es teilen will.

Wichtig für den Erfolg ist es, die jetzt zu gestaltenden Aktivitäten nach sorgfältiger Analyse und Auswahl spezifisch zu gestalten.

Manchmal reicht Information, die Vermittlung von Wissen, z.B. über das Finden und Realisieren von Werten, Analyse und Definition, um dem Klienten zu helfen, seine Situation zu verstehen. Gefolgt vom gemeinsamen Erarbeiten von Lösungsmöglichkeiten, damit der Klient auswählen und ausprobieren kann. Statt Schlägen (wie Rat- und Vor-Schlägen) bekommt er Entscheidungshilfen, die es ihm ermöglichen, die auf das Ergebnis seiner Entscheidung einwirkenden Einflüsse zu erkennen und zu berücksichtigen und Kontrollmöglichkeiten, die die Ergebnisse der einzelnen Schritte oder der gesamten Maßnahme mit den Wünschen und Vorstellungen des Auftraggebers abgleichen können. Ab und zu löst die Erkenntnis, wie viel Hintergrundwissen fehlt und wie traumtänzerisch Führungsaufgaben wahrgenommen wurden, Erschrecken, aber auch Demut aus.

Führungskräfte, die ihre kompensatorischen, arrogant wirkenden Verhaltensweisen erkennen und substituieren können, gewinnen an Statur und sind stimmig in ihren Rollen. Ihnen ist eigen, sich selbst infrage zu stellen und gegebenenfalls mit einem Coach Aufgaben, Probleme und Konflikte zu reflektieren. So erweitern sie die ursprünglichen Möglichkeiten aus eigener Aktivität, bevor sie durch Leid dazu gezwungen werden.

Literatur

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